Am Scheideweg
Von Jörg Kronauer
Viel Neues enthalten sie nicht, die Europa-Passagen der Nationalen Sicherheitsstrategie, die die Trump-Regierung Ende vergangener Woche vorgestellt hat. Dass es mit der EU wirtschaftlich bergab geht, das hat sich mittlerweile sogar im selbstverliebten Establishment der Teutonenrepublik herumgesprochen. Dass Washington unter Trump in Europa auf die äußerste Rechte setzt, das weiß man spätestens, seit Elon Musk und Vizepräsident J. D. Vance sich im Bundestagswahlkampf energisch für die AfD in die Bresche warfen. Bemerkenswert ist noch am ehesten die Offenheit, mit der in dem Strategiepapier festgestellt wird, die USA seien in ihrem großen Machtkampf um die globale Dominanz auf gewisse Unterstützungsleistungen aus Europa angewiesen und hielten es deswegen für der Mühe wert, den Kontinent auf Linie zu bringen. Auf Rassisten-, auf Faschistenlinie, versteht sich: Dass Europa aufgrund von Migration vor einer »zivilisatorischen Auslöschung« stehe, wie das US-Papier es formuliert, das galt hierzulande bislang als Nazivokabular. Noch.
Denn wie es in Europa, wie es in Deutschland weitergeht, das steht jetzt auf der Kippe. Die brutale Offenheit, mit der die Trump-Regierung den Merzens, den Macrons, den Starmers des Kontinents ihre Pläne in ihren Nationalen Sicherheitsstrategien ins Gesicht spuckt, zwingt zu einer Antwort. Die zweite Reihe der Berliner Außenpolitik, die Fraktionssprecher etwa, gingen am Wochenende auf Distanz: Das könne man sich nicht bieten lassen, hieß es; es gelte nun, eigene, europäische Wege zu gehen. Das ist nicht ausschließlich heiße Luft. Geredet wird von einem eigenständigen Europa schon seit Jahrzehnten, nicht zuletzt im Land der Dichter und Denker. Getan wurde wenig. Die Trumpschen Unterwerfungspläne freilich haben in jüngster Zeit für hektische Betriebsamkeit gesorgt; die Bestrebungen, ohne die USA auszukommen – etwa bei der Herstellung von Militärdrohnen, in der Weltraumtechnologie und bei einigem mehr –, sie nehmen tatsächlich zu.
Ob das genügt, um auf die Beine zu kommen und sich dem US-Zugriff zu entziehen? Man kann aus guten Gründen ernste Zweifel haben. Die erste Riege der Außenpolitik, die nicht nur reden, sondern auch handeln muss – der Kanzler vor allem, der Außenminister –, sie hat am Wochenende denn auch geschwiegen oder allenfalls vorsichtig Stellung bezogen. Denn wenn es nicht schnell gelingt, die vielbeschworene »europäische Autonomie« zu erreichen, dann stehen Europas Herrschende vor der Wahl, global weiter an Einfluss zu verlieren oder sich als Juniorpartner der rassistischen, potentiell faschistischen Wende in den USA anzuschließen, wie deren neue Nationale Sicherheitsstrategie es von ihnen verlangt. Man ahnt, wie sich Europas Machteliten dann wohl entscheiden. Italien hat unter Giorgia Meloni mittlerweile die Weichen gestellt. In Deutschland schlüge die Stunde der AfD, deren Spitze das Bündnis mit Trump kräftig propagiert. Der transatlantische Pakt ginge in seine offen rassistische, vielleicht gar faschistische Phase.
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