Parallelrealitäten
Wie der maßgebliche Gegensatz einer Gesellschaft auf der Grundlage kapitalistischer Produktionsweise – der zwischen Kapital und Arbeit – erfolgreich und konsequent ausgeblendet, umschifft oder geleugnet wird, zeigt überdeutlich der laufende Streit um das Rentenpaket. Nie nämlich geht dabei die Rede von erhöhter Produktivität, also mehr erzeugtem Reichtum pro Arbeitskraft, nie von der Höhe der Löhne, die über die Höhe der Rentenbeiträge und damit auch über die Höhe der Rente bestimmt. Die Demographiefrage ersetzt die Klassenfrage, weshalb sich alle einig sind, dass es Einschnitte im Rentensystem geben muss. Diese Haltung grundiert die Stellungnahmen zur Bundestagsentscheidung von Freitag.
In zahmer Stilkritik übt sich die Süddeutsche Zeitung, die die jüngeren Abweichler aus der Unionsfraktion mit ein paar Schlagwörtern zur Räson rufen will. »Unverantwortlich, auf einem Nein zu beharren«, da verdränge doch glatt »Egozentrismus die staatspolitische Verantwortung«. So wird das nichts mit dem gelingenden Regieren. Dabei steht sehr viel auf dem Spiel, weiß man beim Tagesspiegel: »Es geht um die Handlungsfähigkeit des Staates, um die Existenz der Volksparteien der Mitte, um die Zukunftsfähigkeit des Landes.« Doch mit der SPD-Vorsitzenden Bärbel Bas klappt das nicht: »Sie steht eher für Klassenkampf als für wirtschaftlichen Aufbruch.« Der erste Teil des Satzes ist zwar so realitätstauglich wie Wolfgang Kubicki an jedem beliebigen Tag fahrtüchtig, aber macht doch nichts. So muss denn auch nicht über die wirklich relevanten Fragen (siehe oben) gesprochen werden.
Apropos: Bei der FAS sieht man realitätsverweigernd Realitätsverweigerung und sehnt sich nach der FDP: »Immer schmerzlicher vermisst man eine starke liberale Partei im Bundestag.« Denn die anderen, vor allem die Sozialdemokraten, bringen’s nicht. »Die SPD hat sich nach ihrer Bundestagswahlschlappe in eine Zeitmaschine gesetzt. Sie scheint jetzt zurück in der Phase vor dem Godesberger Programm, in den Jahrzehnten des Klassenkampfs.« Da ist es schon wieder, dieses Wort, das sich der Gottseibeiuns ausgedacht hat. Aber nicht nur Bas ist eine Bedrohung fürs Land, sondern auch der Juso-Chef Philipp Türmer mit seinem »thälmannhaften Ungestüm«. Man wünscht sich ja regelrecht, irgend etwas von dem Zeug, das da geschrieben wird, wäre wahr.
Kein Halten mehr, eh alles egal: Harald Martenstein mag schlecht riechen, aber er hat eine feine Nase. In der Welt am Sonntag berichtet der Franz-Josef-Wagner-Nachfolger von einem ganz besonderen Odeur auf dem Juso-Kongress, als nämlich Bas sprach: »Das Herrenparfüm von Erich Honecker lag kurz in der Luft«. (brat)
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