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Aus: Ausgabe vom 06.12.2025, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

Größenwahn oder Innovation

Von Arnold Schölzel
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Hin- und hergerissen ist das deutsche Kapital, wenn es um den Umgang mit China geht: Es ist mal kriegstüchtig, mal kooperativ. Großmachtpläne entwirft der Wirtschaftswissenschaftler Rolf Langhammer am Dienstag in einem Gastbeitrag für die FAZ: »Was Berlin tun sollte, um seine geoökonomischen Interessen zu wahren und die Stellung der EU als geopolitisch ernstzunehmender Akteur gegenüber China und den USA zu stärken.« Er schlägt vor, die deutsche Monopolmacht in der EU auszuweiten: »Deutschlands Akteure müssten ›Made for Germany‹ durch ›Made for Europe‹ ersetzen und bereit sein, eine Führungsrolle mit dem Verzicht auf vermeintliche nationale Vorteile zu ›bezahlen‹. Ein kompletter Binnenmarkt und seine Öffnung gegenüber Allianzen mit Drittländern löste einen Innovationsschub aus, würde Teile-und-herrsche-Spiele der USA und Chinas unterbinden und der EU einen geoökonomischen Machtsprung bescheren. Deutschland allein kann das nicht schaffen.« Das zukünftige wirtschaftliche Kräfteverhältnis sieht er so: Im Rennen um die globale Technologievorherrschaft zwischen der Volksrepublik und den USA kontrolliere »China mittlerweile große Teile der Lieferkette in der Produktion von kritischen Vorprodukten« und beabsichtige, »durch ein weltweites Lizenzierungssystem den Technologietransfer in seine Strategie technologischer Autarkie einerseits und weltwirtschaftlicher Dominanz andererseits einzubinden«.

Auf Kooperation statt auf auf »unterbinden« setzen aber offenbar viele in China tätige deutsche Firmen. Das berichten am Mittwoch die Handelsblatt-Korrespondenten Sabine Gusbeth (»Deutsche Firmen werden chinesischer«) und Martin Benninghoff. Er schreibt: »Trotz aller ›Derisking‹-Rhetorik seitens der Politik setzen deutsche Unternehmen auf eine vertiefte Integration in und mit China.« Die Deutsche Handelskammer in China befragte jedenfalls 627 von rund 2.000 Mitgliedern und erfuhr: Mehr als die Hälfte der Befragten setzen auf die »Innovationsdynamik vor Ort, um das Geschäft auszubauen und auch im Heimatland voranzubringen. Qualitative Partnerschaften, Lokalisierung in Forschung und Entwicklung sowie die Anpassung an lokale Geschwindigkeiten (›China-Speed‹) gelten als Schlüssel für langfristigen Erfolg«. Gusbeth notiert: »60 Prozent der Befragten erwarten, dass chinesische Unternehmen in ihrer Branche innerhalb der nächsten fünf Jahre zum Innovationsführer werden.«

Benninghoff spürt allerdings »Gegenwind« in China wie in der EU. »Preisdruck, eine schwache Binnennachfrage und der ›Buy China‹-Trend erschweren das operative Geschäft« in China, während in Deutschland und der EU die Hindernisse »Exportkontrollen und geopolitische Bündnisse« seien. Gegen die kooperationsbereiten deutschen Unternehmen verteidigt er die Chinapolitik Berlins: »Wenn also 64 Prozent der befragten Unternehmen überzeugt sind, die deutsche Bundesregierung solle das Chinabild in Deutschland verbessern, so ist zu entgegnen, dass dies nicht die Kernaufgabe einer Bundesregierung ist, sondern auch damit zu tun hat, wie China international – und auch gegenüber Deutschland – auftritt.« Was er meint, besagt ein weiterer Benningshoff-Artikel am Donnerstag im Handelsblatt. Überschrift: »Taiwan wappnet sich gegen Chinas Drohnenschwarm«. Das lässt sich übersetzen mit: Wer China wählt, wählt den Krieg.

Langhammers Verlangen nach Führungsrolle und »Machtsprung« ist Klartext deutschen Größenwahns. Benninghoff, der eine Innovationsweltmacht aus der Nähe erlebt, schwankt zwischen Realität und dem Unfug, der auch die von Annalena Baerbock entworfene Chinastrategie prägt. Die meisten deutschen Unternehmen in China haben sich offenbar fürs eigene Überleben entschieden.

Benninghoff, der eine Innovationsweltmacht aus der Nähe erlebt, schwankt zwischen Realität und dem Unfug, der auch die von Annalena Baerbock entworfene China-Strategie prägt. Die meisten deutschen Unternehmen in China haben sich offenbar fürs eigene Überleben entschieden

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