Warum sind Sie im Visier der Faschisten?
Interview: Max Grigutsch
Sie sagen, dass Mitte 2024 mehrere Anschläge auf fünf Landtagskandidaten der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands, MLPD, verübt wurden – auch auf Ihre Frau und Sie. Warum gehen Sie davon aus, dass das faschistische Attacken waren?
Im Kontext der Landtags- und Kommunalwahlen 2024 fand in Gera eine Podiumsdiskussion mit den Oberbürgermeisterkandidaten statt. Meine Frau Petra stellte eine Frage zu den montäglichen faschistischen Aufmärschen und kritisierte die Hetze gegen die neue Flüchtlingsunterkunft in der Stadt, die vom Geraer Neonazi Christian Klar und der AfD organisiert wird. Helle Empörung bei den angesprochenen Kräften, die zahlreich vor Ort waren, so auch von der von Klar gegründeten »Aufbruch Gera«-Truppe. Einer drohte uns: Eure Namen kennen wir. Drei Tage später hörte ich auf der Autobahn leise Schleifgeräusche am Fahrzeug. Kurz darauf bemerkten wir, dass die Radschrauben gelockert worden waren. Zudem wurde eine Bautackernadel ganz gezielt in eine Reifenrille eingeschlagen. Das war eindeutig Manipulation. Einen Monat später traf es dann Ilka May und ihren Mann, auch Landtagskandidaten. Ilka hatte in Eisenach Konfrontationen mit dem Neonazi Patrick Wieschke. Noch einen Monat später dann die gleichen Vorgänge bei Andreas Eifler und seiner Frau.
Sie sind damit zur Polizei gegangen.
Wir haben sofort Anzeige erstattet und gesagt: Das ist ein faschistischer Anschlag. Man entgegnete, es hätten ja auch Linke gewesen sein können. Zwei Beamte haben sich unser Auto angeguckt. Mit Fotoaufnahmen war die Ermittlung aber beendet. Dann warteten wir, ob eine Pressemitteilung kommt. Immerhin ein potentieller Mordversuch. Es kam keine. Unsere Anwälte haben auch Hinweise gegeben, etwa zu Klar. Der tönt ja, man solle die Linken aus der Stadt jagen. Dann sagte die Polizei: Ja, meinen Sie, der Christian Klar kommt hierher und sagt, er war es? Aber das wäre ja erst recht ein Grund gewesen, gründlich zu ermitteln.
Als MLPD-Mitglied dürfte Sie das Nichtstun der Staatsgewalt doch nicht verwundern. Warum sind Sie enttäuscht?
Enttäuschung heißt, man hat sich getäuscht. Aber wir haben eine realistische Einschätzung der Polizei. Deshalb haben wir auch verfolgt, was mit den Pressemitteilungen in unseren Fällen passiert. Man kann feststellen, dass die Polizei ganz bewusst die Presse steuert.
Jetzt haben Sie eine Dienstaufsichtsbeschwerde beim Thüringer Justiz- und Innenministerium eingereicht. Was erhoffen Sie sich davon?
Die beiden Ministerien haben gesetzlich eine Aufsichtspflicht gegenüber der Polizei, die sie nicht wahrnehmen. Das kann man öffentlichmachen.
Ihr Hauptanliegen ist also Bloßstellung?
Das auch. Wir kämpfen politisch, aber auch juristisch für die Verteidigung demokratischer Rechte angesichts der globalen Rechtsentwicklung und der akuten faschistischen Gefahr hierzulande. Die Regierungen reden von terroristischer Antifa, aber die wirklichen faschistischen Terroristen, die schützen sie. Kein sofortiger Zeugenaufruf in unserem Fall – das ist doch kein Zufall. Sie verschleiern, dass es sich um rechte Anschläge handelt. Unser Anliegen ist nicht nur persönlicher Schutz. Wir wollen auch der Hetze gegen die antifaschistische Bewegung widersprechen. Wir haben und werden uns nicht einschüchtern lassen.
Dass Faschisten Linke angreifen, ist hinlänglich bekannt. Warum sind gerade Sie als MLPD im Visier?
Die MLPD ist eine revolutionäre sozialistische Arbeiterpartei, die einen aktiven Beitrag zur Entwicklung einer breiten antifaschistischen Front leisten will. Sie steht für die gesellschaftliche Alternative des echten Sozialismus. Zur Landtagswahl haben wir breit plakatiert: »Wer AfD wählt, wählt Faschismus!« Sie verweisen zu Recht auf Attacken gegen andere Linke, auch gegen Migranten. Wir solidarisieren uns mit allen Betroffenen. Aber eine Serie von potentiellen Mordanschlägen, das hat es hier lange nicht gegeben.
Und warum gerade Thüringen?
Thüringen ist nicht irgendwo. Hier entstand der NSU, der »Nationalsozialistische Untergrund«. Ein Ergebnis der späteren Untersuchungsausschüsse war, dass die ganze NSU-Vernetzung nicht aufgedeckt wurde. Heute aktive Neonazis waren damals im »Thüringer Heimatschutz« (Neonazigruppe, aus der sich der NSU rekrutiert hatte, jW). Ich sage nicht, die waren es. Aber es sprechen viele Anhaltspunkte dafür, dass die Täter aus diesem Umfeld stammen.
Dieter Ilius ist Mitglied der MLPD in Gera und Vertreter in der Delegiertenversammlung der IG Metall in Ostthüringen
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