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Aus: Ausgabe vom 04.12.2025, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Tödliche Arbeitsunfälle in Italien

Unfallrisiko Alter

Hohe Zahl tödlicher Arbeitsunfälle in Italien. Besonders viele Arbeiter über 60 und 70 Jahren betroffen
Von Gerhard Feldbauer
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Gedenken an den 66jährigen Arbeiter Octav Stroic, der beim Einsturz des Torre dei Conti starb (Rom, 4.11.2025)

In Italien, dessen eingeschlagener Kürzungskurs dazu führte, dass Ratingagenturen wie Fitch und Moody’s die Kreditwürdigkeit des Landes kürzlich angehoben haben, ist nicht nur die Armut gestiegen, sondern auch die Zahl der tödlichen Arbeitsunfälle. Betroffen sind zu einem großen Anteil Menschen über 60 und sogar 70 Jahren, die arbeiten müssen, weil die Rente nicht zum Leben reicht.

In diesem Jahr entfielen, wie dem vorläufigen Jahresbericht der unabhängigen Beobachtungsstelle des Unfallversicherungsinstituts INAIL in Bologna zu entnehmen ist, 323 der 962 Todesfälle am Arbeitsplatz auf Personen über 60 Jahren. 164 waren älter als 70 Jahre. Die CGIL-Gewerkschaft nannte den Befund auf ihrer Plattform Collettiva ein Massaker. Über 60- und sogar 70jährige müssten unter altersbedingt erhöhten Risiken weiterarbeiten, weil ihre soziale Lage sie dazu zwingt, oft sogar illegal – und zwar in fast allen Branchen. Sie stürzen von Gerüsten und Lagerdächern, fallen unter Maschinen oder Lastwagen, sterben auf Feldern, bei Holzfällarbeiten, im Gartenbau oder im Handel unter der brütend heißen Sommerhitze.

Schon mit 60 oder 65 Jahren kann man nicht mehr so auf einer Baustelle arbeiten wie mit 20 oder 30. Collettiva führt aus einer langen Reihe jüngster Unfälle den eines 66jährigen Rentners in Ceccano bei Frosinone an, der mit seiner viel zu niedrigen Rente nicht leben konnte und von einem Baugerüst in etwa 900 Meter Höhe stürzte. Er war sofort tot. In Palermo kam ein Rentner ums Leben, als er im Policlinico-Krankenhaus von einem Gerüst stürzte.

Der Bericht rückt, so Collettiva weiter, die wirtschaftlichen Verhältnisse einer ganzen Bevölkerungsgruppe in den Fokus. Im Wahlkampf 2022 hatte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni den Rentnern versprochen, die Mindestrente auf 1.000 Euro zu verdoppeln. Als sie Regierungschefin wurde, wurde das Versprechen Makulatur. Laut der Rentnerabteilung der CGIL (Sindacato Pensionati, Spi) erhielten 2024 rund 30 Prozent der Rentner, das sind 6,8 Millionen Menschen, unter 1.000 Euro brutto monatlich. Nach jüngsten Statistiken beträgt die Mindestrente 614,77 Euro, wovon meist noch nicht einmal die Miete aufgebracht werden kann. Wie viele von den 5,7 Millionen Menschen, die im Bella Italia in absoluter Armut leben, Rentner sind, weisen die Statistiken nicht aus.

Die Unfallsicherungsmaßnahmen, die ohnehin oft nicht eingehalten werden, müssten, so fordert die CGIL, ab einem gewissen Alter verschärft werden. Über 60 dürfe niemand mehr auf Gerüsten arbeiten und dort körperlicher Erschöpfung und den Witterungseinflüssen ausgesetzt sein. Dass Rentner auch in Zukunft Geld verdienen müssen, ist ziemlich sicher. Auch das Staatsbudget für 2026 berücksichtigt die Lebens- und Ruhestandsbedingungen, die der Staat garantieren müsse, nicht.

Um generell gegen tödliche Unfälle am Arbeitsplatz wirksam vorzugehen, fordert die CGIL, einen Straftatbestand einzuführen, damit eine Staatsanwaltschaft gegen die systematische Straflosigkeit und Tatenlosigkeit der Regierung vorgehen kann. Erforderlich ist, wie die CGIL schon 2020 verlangte, die zuständige Behörde für Kontrollen zu verstärken. Aber statt dieser Forderung nachzukommen, wurde die Zahl der Arbeitsinspektorinnen und -inspektoren von 246 um 21 verringert. Das Netzwerk »Rete Iside Onus« (RIO) der Gewerkschaft Unione Sindacale di Base (USB) machte schon 2023 deutlich, dass es sich bei den Arbeitsunfällen nicht um tragisches Unglück handelt, sondern sie »Ergebnis des herrschenden kapitalistischen Systems sind, das vollständig auf Profit und Ausbeutung ausgerichtet ist, in dem Sicherheit am Arbeitsplatz nur ein ›unnötiger Kostenfaktor‹ ist, der den Gewinn schmälert«.

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