Kampf um seltene Erden
Von Jörg Kronauer
Die EU könnte mal wieder zu spät gekommen sein. Während in Brüssel am Mittwoch die EU-Industriekommission neue Pläne zur Beschaffung seltener Erden vorlegte – und die Union ansonsten, ganz wie üblich, damit beschäftigt war, neue Russland-Sanktionen auf den Weg zu bringen –, machte ein alarmierender Bericht der US-Agentur Bloomberg die Runde. Demnach gehen US-Konzerne beim Kampf um Zugriff auf die seltenen Erden mit harten Bandagen vor und knocken dabei immer häufiger europäische Konkurrenten aus, denen die unersetzlichen Rohstoffe schon in wenigen Monaten ausgehen könnten. Bloomberg stützt sich auf Äußerungen von Rohstoffhändlern und Unternehmern mit unmittelbarem Einblick in das Marktgeschehen.
Das aktuelle Kernproblem ist bekannt. Seit China Exportkontrollen auf seltene Erden eingeführt hat, muss jede Lieferung genehmigt werden. Das kostet Zeit – 40 Prozent aller betroffenen deutschen Firmen klagen über Verzögerungen um mehr als zwei Monate –, und es verknappt das Angebot noch mehr. Entsprechend verschärft sich die Konkurrenz. Dabei sind US-Unternehmen nicht nur schneller als europäische; Bloomberg zitiert den Finanzchef von Noble Elements, Tim Borgschulte, der berichtet, seine Firma brauche drei bis vier Wochen, um etwa eine Tonne Terbium an ein europäisches Unternehmen zu liefern, aber nur drei bis vier Tage für eine Lieferung an einen US-Konzern. Zudem haben US-Firmen laut einem anderen Insider »einen stärkeren Sinn für die Dringlichkeit« – und mehr Finanzpower.
Die Folge: Die Lagerbestände an seltenen Erden in Europa schwinden rasant; schon in ein paar Monaten könnten sie aufgebraucht sein. Dies wiegt ganz besonders für Rüstungsunternehmen schwer, da die chinesischen Exportkontrollen Lieferungen an Waffenschmieden im Grundsatz untersagen. Diese müssen deshalb unter Umständen recht phantasievoll vorgehen. Aus der deutschen Branche sind Bloomberg zufolge inzwischen Beschwerden zu hören, US-Konzerne kauften blitzschnell und rücksichtslos den europäischen Markt leer, weshalb man sich jetzt oft mit besonders teuren Resten zu begnügen habe.
Was tun? EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat im März 2023 den Critical Raw Materials Act vorgeschlagen, der ein gutes Jahr später, im Mai 2024 in Kraft getreten ist. Bewirkt hat er eineinhalb Jahre später nicht viel. Am Mittwoch wollte EU-Industriekommissar Stéphane Séjourné die auf ihn aufbauende Initiative »ReSourceEU« vorstellen, die immerhin, mit großem S mitten im Wort, modisch geschrieben wird. Ob sie auch praktische Fortschritte bringt, muss sich zeigen. Immerhin sollen laut Vorabberichten drei Milliarden Euro bereitgestellt werden, um Investitionen in Abbau und Weiterverarbeitung seltener Erden zu unterstützen und um verlässliche Lieferketten zu entwickeln. Zudem ist der Aufbau eines Europäischen Zentrums für kritische Rohstoffe geplant, das laut Séjourné helfen soll, »Bedarfe zu bewerten, gemeinsame Einkäufe zu tätigen und Mineralien zu lagern«.
Die Bundesregierung setzt zudem gewisse Hoffnungen auf Kanada. Das Land verfügt über große Vorkommen an seltenen Erden und will nicht nur in die Förderung, sondern vor allem auch in die Weiterverarbeitung einsteigen. Thyssen-Krupp Marine Systems verhandelt zur Zeit mit Ottawa über die Lieferung von U-Booten. Bei derlei Deals sind Gegengeschäfte üblich. Eines davon könnte Berlin Zugriff auf seltene Erden eröffnen. In trockenen Tüchern ist davon allerdings noch nichts.
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