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Aus: Ausgabe vom 03.12.2025, Seite 5 / Inland
Momox-Versand in Leipzig

Streik für faire Arbeit bei Momox

Beschäftigte von Secondhandversand in Leipzig fordern höheren Lohn und bessere Arbeitsbedingungen
Von Yaro Allisat, Leipzig
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Mit Mut und Stimmgewalt protestierten am Montag etliche Momox-Beschäftigte vor dem Betriebsgelände in Leipzig

Laut schallt es über den Vorplatz des Momox-Betriebsgeländes im Leipziger Norden: »Wir wollen Respekt!« Es ist Streikrunde Nummer zwei für einen Tarifvertrag beim Secondhandversanddienstleister. Seit dem Bestehen des Unternehmens sind die Leipziger Momox-Beschäftigten am deutschlandweit größten Standort den gesamten Montag über in den Ausstand getreten. Streik ist etwas Neues in der Unternehmensgeschichte. Die Beschäftigten fordern Anerkennung ein, denn hinter dem sich alternativ und nachhaltig gebenden Konzern verbergen sich laut Gewerkschaft und Arbeitern miserable Bedingungen, die Ausnutzung von prekären Aufenthaltssituationen sowie Ansätze von Union Busting, also das koordinierte Stören der gewerkschaftlichen Arbeit. Der Konzern weist die Vorwürfe zurück.

Rund 50 Arbeiter stehen nun mit Verdi-Westen und -Fahnen vor dem Firmengebäude. Sie versuchen, ihre Kollegen zu überzeugen, ebenfalls zu streiken. Auf Arabisch, Persisch oder Französisch werden die Kollegen begrüßt. Doch viele gehen auch zur Schicht. Nur rund zehn Prozent der Belegschaft streiken, schätzt einer der Organisatoren. Zoheir Salem, einer der Kollegen, sagt gegenüber jW, dass viele Angst hätten. »Sie denken, sie würden den Job verlieren oder das Unternehmen würde pleite gehen bei einem Streik. Oder die Arbeitsbedingungen würden schlechter«, so Salem. »Dabei ist doch genau das Gegenteil der Fall.« Salem hat drei Kinder und versorgt seine behinderte Frau. Das Gehalt reiche, selbst wenn er Vollzeit arbeiten würde, nicht zum Leben. So gehe es vielen hier. Außerdem beteiligten sich laut Salem viele der einheimischen Beschäftigten nicht am Ausstand, weil sie es für einen »Ausländerstreik« halten würden. Viele würden wohl AfD wählen, meint Salem.

Am 30. Oktober hatten die Beschäftigten zum ersten Mal gestreikt. Auch diesmal schweigt sich die Chefetage bezüglich der konkreten Forderungen der Kollegen nach einem Tarifvertrag und mehr Lohn aus. »Solange die Arbeitgeberseite nicht verhandelt, machen wir Druck«, so der zuständige Gewerkschaftssekretär Ronny Streich in einer Mitteilung. »Gerade diese Zeit der Rabattschlachten und der fetten Umsätze ist eine Zeit besonders hoher Belastungen für die Beschäftigten. Hoher Arbeitsdruck, Überstunden, Gängelung – alles für den Profit. Das führt zu einem hohen Krankenstand – von Respekt und Wertschätzung keine Spur«, heißt es weiter.

Befristete Arbeitsverträge oder Probezeit nennen die Angesprochenen, die das Betriebsgebäude ansteuern, zumeist als Grund, warum sie nicht mitstreiken würden. Seit einiger Zeit stelle Momox vermehrt nur noch auf Basis von Dreimonatsverträgen ein, ähnlich wie Amazon. Langfristige gewerkschaftliche Organisierung wird damit deutlich erschwert. Existenzängste, insbesondere für Menschen, deren Aufenthaltstitel am Job hängt, nehmen zu.

Berichten von Beschäftigten und der Gewerkschaft zufolge herrschen bei Momox prekäre Bedingungen: Pausen und Toilettengänge würden minutengenau kontrolliert, der Lohn sei kaum existenzsichernd, kranke und ältere Mitarbeitende würden entlassen. Und der Umgangston sei oft respektlos, rassistisch und diskriminierend. In internen Versammlungen sollen Vorgesetzte laut Verdi versucht haben, Beschäftigte mit gewerkschaftsfeindlichen Aussagen einzuschüchtern und gegeneinander auszuspielen. Auch der Sächsische Flüchtlingsrat schildert die problematische Verbindung von restriktiver Migrationspolitik und unternehmerischem Profitstreben, durch welche besonders vulnerable Menschen als billige Arbeitskräfte ausgenutzt würden. Der Streik habe daher »historische Bedeutung«, weil er das lange Schweigen durchbrochen habe. Momox hingegen weist die Vorwürfe zurück und spricht von mangelnder Kenntnis des Geschäftsmodells, gewerkschaftliche Bestrebungen böten keinen Mehrwert. Mit 1.200 Beschäftigten ist der Standort in Leipzig der größte von dreien in Deutschland. Seit 2012 hat sich der Umsatz von Momox von 58 auf 377 Millionen Euro versechsfacht.

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