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Aus: Ausgabe vom 03.12.2025, Seite 4 / Inland
Fußballrealität

Fanproteste zeigen Wirkung

Verbände und Vereine warnen vor verschärftem Überwachungsregime in den Fußballstadien. Konferenz der Innenminister kommt in Bremen zusammen
Von Kristian Stemmler
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Fans von Carl Zeiss Jena demonstrieren gegen autoritäre Maßnahmen (Leipzig, 16.11.2025)

Ob in Berlin oder Gladbach, in Leipzig oder Dortmund – bei den DFB-Pokalspielen am Dienstag abend sollte es in den ersten zwölf Minuten wieder still werden in den Stadien. Die Fußballfans protestieren, wie zuletzt bei den Spielen der Bundesliga, mit ihrem Schweigen gegen repressive Maßnahmen in den Stadien, die von der an diesem Mittwoch beginnenden, dreitägigen Innenministerkonferenz (IMK) in Bremen beschlossen werden könnten. Zwölf Minuten sind es, weil mit der zwölften Minute die Fans symbolisiert werden, die jede Fußballelf brauche. Im Kern geht es um drei Vorschläge, mit denen die Innenminister nach offizieller Lesart die Sicherheit im Stadion verbessern wollen: der Zwang zu personalisierten Tickets, eine mögliche KI-gestützte Überwachung mit Gesichtserkennung und eine Verschärfung der Stadionverbote.

Aus dem parlamentarischen Betrieb unterstützt die Partei Die Linke die Fanproteste. Gegenüber jW erklärte der Bundestagsabgeordnete Jorrit Bosch, stellvertretendes Mitglied im Sportausschuss, am Dienstag: »Personalisierte Tickets, fehleranfällige KI-Überwachung und der Einsatz der hochumstrittenen Palantir-Software, wie von der IMK beraten, bedeuten einen Frontalangriff auf unsere Freiheitsrechte und sind ein Misstrauensvotum gegenüber Millionen friedlicher Fans.« Mit dieser »autoritären Überwachungsagenda« werde eine »vielfältige, engagierte Fanszene kriminalisiert und das über Jahre aufgebaute Vertrauen zerstört«, warnte Bosch. Fußballstadien seien »keine Versuchslabore für die sicherheitspolitischen Phantasien der Innenminister«. Die Fakten seien »glasklar«. Die Stadien würden voller, »während die Zahlen von Gewalt und Verletzungen weiter sinken«. 17 Prozent weniger Verletzte und deutlich weniger Strafverfahren seien »eindeutige Belege dafür, dass die Fankultur keine härtere Repression, sondern Respekt braucht«.

Möglicherweise hat der Fanprotest schon Wirkung gezeigt. Laut Bild am Sonntag haben die Deutsche Fußball Liga (DFL) und der DFB mit der Politik Kompromisse ausgehandelt. So seien die angedrohten Kollektivstrafen wie Zuschauer-(Teil-)Ausschlüsse vom Tisch. Auch sollen keine personalisierten Tickets eingeführt werden. Die Politik sei da den Argumenten gefolgt, dass diese Maßnahme das Aus der Stehplätze bedeuten würde, die zur Fankultur gehören, und die Kontrollen bei Stadien mit 50.000 Zuschauern und mehr zu viel Zeit benötigten. Schließlich soll es eine zentrale Kommission zur Festsetzung von Stadionverboten doch nicht geben. Über solche Verbote sollen weiterhin lokale Kommissionen der Klubs entscheiden, kolportierte Bild.

Für Irritationen sorgten Äußerungen des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) vom Montag. Die Fanproteste beruhten auf falschen Informationen, behauptete er. Es würden »angeblich geplante Maßnahmen kritisiert und Ängste geschürt«. Themen wie Gesichtserkennung im Stadion und personalisiertes Ticketing stünden gar nicht auf der Tagesordnung. Dazu erklärte Thomas Kessen vom Fandachverband »Unsere Kurve« am Dienstag gegenüber jW, er nehme »mit einiger Verwunderung zur Kenntnis, dass die Innenminister offenbar eine Gespensterdebatte entfacht haben«. Seit Wochen seien entsprechende Maßnahmen ohne jeden Widerspruch in den Medien plaziert worden. Jetzt versuche Herrmann, »die Realität im nachhinein umzudeuten«.

Die breite Kritik an »Hinterzimmerpolitik und populistischen Schnellschüssen« habe offenbar Wirkung gezeigt, sagte Kessen. Sein Verband erwarte, dass die geplanten Maßnahmen »nun auch offiziell vom Tisch sind«. Zudem bleibe offen, »wie mit der weiterhin geforderten Praxis der Stadionverbote ohne ausreichende Tatsachengrundlage umgegangen wird«.

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