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Aus: Ausgabe vom 03.12.2025, Seite 3 / Ansichten

Untergangsstimmung

Deutsche Industrie am Abgrund
Von Daniel Bratanovic
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Die Nation hat chronische Schmerzen. Sie plagen Standort-, ach was, Abstiegssorgen. Die Flaute will einfach nicht vergehen. Der Nachrichten, die den Befund einer Dauerkrise der deutschen Volkswirtschaft erhärten sollen, kein Ende. Bild sah Merz als Repräsentanten für den elenden Zustand des Landes bereits auf der Intensivstation liegen. »Die ›Fieberkurven‹ des Kanzlers entwickeln sich immer dramatischer.« Soll heißen, die Wirtschaftsleistung stagniert, die privaten Investitionen (etwa in neue Maschinen) sind eingebrochen, die Staatsausgaben hingegen drastisch gestiegen. Die Diagnose stammt von Montag. Gleichentags berichtet das Handelsblatt, dass bei 22.000 deutschen Industriefirmen innerhalb von drei Jahren die Umsätze deutlich gesunken seien und Hunderttausende Jobs abgebaut würden. Am Dienstag wiederum meldet sich der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie zu Wort: »Der Wirtschaftsstandort befindet sich im freien Fall«. Was den Patienten belaste, sei »keine konjunkturelle Delle, sondern ein struktureller Abstieg«. Untergangsstimmung.

Die Schwäche der hiesigen Industrieproduktion lässt sich tatsächlich nicht mit dem Konjunkturzyklus erklären. Die »Industrierezession« in der EU ist beendet, der globale industrielle Ausstoß ist im Vergleich zum Vorjahresanstieg merklich gestiegen. Bloß in Deutschland nicht. Warum? Der Probleme für die deutsche Volkswirtschaft sind vor allem drei: Erstens will die US-Regierung mit einem Protektionismus, wie ihn die Welt gut 90 Jahre lang nicht kannte, ihre fortgeschrittene Deindustrialisierung beenden und umkehren. Die verhängten US-Zölle schaden dem deutschen Export. Zweitens – und als säkularer Trend vermutlich am gravierendsten – produzieren chinesische Firmen inzwischen in jenen drei Branchen, die für die Industrie der Bundesrepublik maßgeblich sind – Maschinenbau, Automobilbau, Chemie – mindestens gleichwertig und vor allem günstiger. Drittens hat der jähe Ausfall russischer Gaslieferungen die Herstellungskosten insbesondere in der energieintensiven Chemieindustrie erheblich steigen lassen. Mit Nord Stream II wäre die Bundesrepublik zur Drehscheibe für Gaslieferungen in die gesamte EU geworden und hätte damit ihre kontinentale Macht noch einmal deutlich gestärkt. Die USA hatten daran kein Interesse, und nicht zu verwegen dürfte sein, den Ukraine-Krieg auch als Krieg gegen die hiesige Ökonomie zu bewerten.

Davon aber darf in der laufenden Debatte nicht die Rede sein. Ohnehin soll das ganze geopolitische und geoökonomische Gerede nicht vom letztlich entscheidenden klassenpolitischen Aspekt der ganzen Angelegenheit ablenken: Das Lamento der Kapitalverbände bereitet vor und begleitet den nächsten Angriff auf die Lohnabhängigen dieses Landes. Auf allen Ebenen: bei der Rente, beim Bürgergeld, beim (Mindest-)Lohn, bei der Gesundheitsvorsorge, bei der Jobsicherheit. Wer dem Untergang das Wort redet, kündigt den Klassenkampf von oben an.

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