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Aus: Ausgabe vom 14.11.2025, Seite 15 / Feminismus
Frauen und Frieden

Akteurinnen des Wandels

Vor 25 Jahren verabschiedete die UN die Resolution 1325, die Frauen zentrale Rollen in Friedensprozessen zuschreibt. Uganda zeigt, wie es gehen kann
Von Sara Meyer, Kampala
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Gesetze, Aktionspläne und die Arbeit vieler Organisationen haben zu einem Kulturwandel in Uganda geführt

Am 31. Oktober 2000 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 1325 zu »Frauen, Frieden und Sicherheit«. Sie erkannte erstmals offiziell an, dass Frauen und Mädchen anders als Männer von bewaffneten Konflikten betroffen sind und dass ihre Beteiligung an Friedensprozessen entscheidend für stabile Nachkriegsgesellschaften ist. Gewalt gegen Frauen wird oft als Kriegstaktik eingesetzt, um Gesellschaften langfristig zu demoralisieren. Studien zeigen, dass Friedensabkommen länger Bestand haben, wenn Frauen gleichberechtigte Partnerinnen sind – dennoch sind sie in den meisten Verhandlungen weiterhin unterrepräsentiert.

»Frauen gehören an die Tische, an denen Frieden verhandelt wird«, sagt Robinah Rubimbwa, ugandische Friedensaktivistin, Mediatorin und feministische Kommunikationsexpertin. Sie leitet die Coalition for Action on 1325 (Coact), ein Netzwerk von Frauenorganisationen, das eng mit UN Women zusammenarbeitet und sich für die Umsetzung der Agenda »Frauen, Frieden und Sicherheit« in Uganda einsetzt. Zudem ist sie Gründerin des Centre for Women in Governance. Sie gilt als eine wichtige feministische Stimme in Uganda. Rubimbwa selbst musste mit 23 Jahren fliehen, mit ihrem Neugeborenen und einem älteren Kind.

Uganda schreitet voran

Uganda verabschiedete 2008 als zweites afrikanisches Land nach Liberia einen Nationalen Aktionsplan für eine Frauenagenda. »Wir haben also acht Jahre verloren, ohne dass viel passiert ist«, berichtet Rubimbwa. »Damals herrschte im Norden noch Krieg. Frauenorganisationen arbeiteten bereits in Lagern für Binnenvertriebene und unterstützten Frauen, die aus ihren Dörfern vertrieben worden waren, um sie vor Angriffen der Lord’s Resistance Army zu schützen.« Die 1987 von Joseph Kony gegründete Lord’s Resistance Army kämpfte im Norden Ugandas gegen die Regierung unter Yoweri Museveni. Er ist auch heute noch Präsident des zentralafrikanischen Landes. Noch bevor es einen nationalen Aktionsplan gegeben habe, »engagierten wir uns für die Rechte der Frauen, betrieben Aufklärungsarbeit und dokumentierten Übergriffe. Wir stärkten Frauen darin, ihre Stimme zu erheben und ihre Rechte einzufordern.« Damals sei es vor allem um den Schutz vor sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt gegangen, erinnert sich Rubimbwa. Uganda fokussierte sich früh auf Gewaltprävention, Konfliktlösung, gute Regierungsführung und die Stärkung lokaler Strukturen und gilt international als Vorzeigebeispiel für die Umsetzung der Resolution.

Mit dem ersten Aktionsplan setzte die Regierung zwei Schwerpunkte: »Die Teilhabe von Frauen und die Bekämpfung sexueller Gewalt.« Darauf aufbauend entstanden Gesetze, die Frauen und Mädchen schützen: Änderungen im Erbrecht, das Kommunalgesetz, das Landgesetz, ein Gesetz gegen partnerschaftliche Gewalt und eines zur Bekämpfung von Menschenhandel. »Im nächsten Schritt ging es darum, diese Gesetze in die Praxis zu bringen«, sagt Rubimbwa. »Unsere Organisation begann, die Texte zu vereinfachen und in lokale Sprachen zu übersetzen, damit Frauen sie verstehen und anwenden konnten – um sich selbst zu schützen, Bewusstsein zu schaffen und staatliche Rechenschaft einzufordern.« Das habe dazu geführt, dass Frauen in Uganda heute offen sprechen könnten und zur Polizei gingen, um Fälle sogenannter häuslicher Gewalt zu melden. »Früher mussten sie sogar Geld zahlen, um Formulare zu erhalten, die eigentlich kostenlos sind«, erzählt Rubimbwa weiter. »Heute bekommen sie diese kostenlos, können medizinische Untersuchungen einleiten, und ihre Fälle werden juristisch oder mediativ bearbeitet.«

Rubimbwa betont, dass Uganda im Bereich rechtlicher Rahmenbedingungen gut aufgestellt ist, dass aber die Umsetzung noch an Ressourcen scheitert: »Es gibt politischen Willen, Gesetze zu erarbeiten – aber kaum Mittel, um sie zu realisieren.« Deshalb seien zivilgesellschaftliche Organisationen entscheidend. »Ohne uns würden viele Gesetze in den Schubladen liegen bleiben«, ist sich die Aktivistin sicher. Gemeinsam mit dem Ministerium für Gleichstellung, Arbeit und soziale Entwicklung erklärt Coact die Aktionspläne in Gemeinden und macht aufmerksam auf die Rolle lokaler Behörden. »Das hat das Bewusstsein für Frauenrechte im ganzen Land enorm gestärkt. Inzwischen gibt es sogar Gegenreaktionen: Männer beklagen, Jungen seien vernachlässigt worden, und die Gleichstellung gehe zu weit.«

Viele Frauen sind heute in nationalen Ämtern vertreten: »Wir haben eine Vizepräsidentin, eine Premierministerin und eine Parlamentspräsidentin. Die Verfassung schreibt vor, dass mindestens 30 Prozent aller Führungspositionen mit Frauen besetzt sein müssen – eine Vorgabe, die tatsächlich umgesetzt wird«, sagt Rubimbwa. »Besonders beeindruckend ist die gewachsene Selbstermächtigung der Frauen – ihre Fähigkeit, sich zu äußern und aktiv zu werden.« Gleichzeitig bleibt die Reichweite begrenzt: »Unsere Organisation kann derzeit nur in 17 der 406 Distrikte Ugandas arbeiten. Es gibt also noch viele unterversorgte Regionen.«

Betroffen, aber ausgeschlossen

Rubimbwa verweist auf die Dringlichkeit der UN-Resolution: »Der aktuelle Bericht des UN-Generalsekretärs zeigt, dass weltweit 676 Millionen Frauen in unmittelbarer Nähe zu bewaffneten Konflikten leben – so viele wie seit den 1990er Jahren nicht mehr. Die Zahl ziviler Opfer unter Frauen und Kindern hat sich in den vergangenen zwei Jahren vervierfacht, sexualisierte Gewalt in Konflikten nahm um 87 Prozent zu. Und dennoch sind Frauen in neun von zehn Friedensprozessen 2024 nicht als Verhandlungsführerinnen vertreten.«

Die Arbeit von Coact reicht von Mediation bei Landstreitigkeiten bis zu Konflikten zwischen Nachbarn oder politischen Gruppen. »Manche dieser Frauen sitzen inzwischen in Gemeinderäten oder Komitees für Katastrophenmanagement. Früher wurden sie nicht einmal eingeladen, an Sitzungen teilzunehmen.« Ein zentraler Teil ist die Einbindung von Männern: »Viele sehen Gleichstellung noch immer als ›Frauenthema‹. Wir erklären ihnen, dass Frieden, Sicherheit und stabile Familien alle betreffen – und dass Frauenbeteiligung nicht bedeutet, Männer auszuschließen.« Heute kämen Männer zu den Trainings und würden »offen über Gewalt, Verantwortung und die Erziehung ihrer Söhne« reden. »Das ist ein Kulturwandel.«

Rubimbwa erinnert an ihre eigenen Erfahrungen: »Ich selbst komme aus einer Zeit, in der es fast unmöglich war, als Frau in Friedensprozesse eingebunden zu werden. Ich erinnere mich an die Friedensverhandlungen mit der Lord’s Resistance Army – Frauen waren kaum vertreten, obwohl sie den größten Teil der Leidtragenden stellten. Diese Erfahrung hat mich geprägt. Ich wollte, dass Frauen künftig an den Tischen sitzen, an denen Entscheidungen getroffen werden. Dass sie nicht nur ›Opfer‹ sind, sondern Akteurinnen des Wandels.«

Heute schult Coact Frauen, Dorfräte, Glaubensführer und Jugendgruppen in den Grundprinzipien der Resolution 1325: Teilhabe, Schutz, Prävention und Wiederaufbau. »Wir zeigen, dass Frieden nicht nur am Verhandlungstisch entsteht, sondern im Alltag – in Familien, Dörfern, Schulen.« Es wurden eine Reihe junger Frauen als Mediatorinnen ausgebildet. Sie genießen in ihren Gemeinden »große Anerkennung«, erzählt Rubimbwa. Einige vermittelten zwischen rivalisierenden Gruppen oder Familien, andere moderierten Diskussionen über Landrechte oder Gewaltprävention. »Wenn Menschen sehen, dass eine Frau erfolgreich Konflikte löst, verändert das die Wahrnehmung ihrer Rolle.«

Aber viele Frauenaktivistinnen werden auch bedroht oder eingeschüchtert – »vor allem, wenn sie sich zu politisch sensiblen Themen äußern«. Auch patriarchale Strukturen sind tief verwurzelt – in manchen Regionen glauben Männer noch immer, dass Frauen keine Autorität ausüben sollten. »Aber die Erfolge überwiegen«, sagt Rubimbwa. Sie sieht ihre Aufgabe darin, die nächste Generation von Friedensstifterinnen zu fördern: »Frauen, die mutig sind, die ihr Umfeld verstehen und die wissen, wie man mit Empathie führt. Denn echter Frieden beginnt damit, dass man anderen zuhört – auch, wenn man nicht einer Meinung ist.«

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