Die drei Amigos
Von Frank Schäfer
Die Gruppe Motörhead wurde 1975 in London von Lemmy Kilmister gegründet. Frank Schäfer geht in der Serie »50 Jahre Motörhead – die schlechteste Band der Welt« dem sehr lauten Rock-’n’-Roll-Phänomen auf den Grund.
Motörhead stehen jetzt auf der Gehaltsliste ihres Labels und bekommen 200 Pfund pro Kopf und Woche. Ein Betrag, mit dem sie langsam ihre Schulden abzahlen können. Es lohnt sich endlich, in der Band zu sein.
Die Welle des Erfolgs lässt ihr ohnehin nicht gerade unterentwickeltes Selbstbewusstsein weiter wachsen. Es ist die Zuversicht des Gelingens, die sie jetzt beim Schreiben der neuen Songs antreibt. Anfang August haben sie bereits einen Studiotermin. Jimmy Miller ist raus, doch mit dem Ersatzmann Vic Maile springt ein nicht minder erfahrener Produzentenkollege ein, der bereits Jimi Hendrix, Led Zeppelin und The Who im Studio unter die Arme gegriffen hat und den Lemmy noch aus seinen Hawkwind-Tagen kennt. Maile wirkt zwar zerbrechlich und achtet als Diabetiker auf seine Gesundheit. Vor allem sein Temperenzlertum sorgt bei der Band für Befremden, er weiß aber genau, was er von der Band will, und findet den richtigen Ton. Mit seiner ruhigen, konzilianten Art und seinem sehr britischen Sarkasmus erwirbt er sich bald ihren Respekt. Dieser schwer zu bändigende Haufen hört ihm tatsächlich zu. Das zahlt sich aus, »Ace of Spades« wird ihr ewiger Studiobestseller, rückt vor bis auf Platz vier der UK-Charts und verkauft sich schnell über 100.000 Mal.
Maile empfängt sie in seinem Wohnzimmer, Jackson’s Studios in Rickmansworth, eine halbe Autostunde von London entfernt. Sie haben sechs Wochen Zeit, ihre neuen Songs aufs Band zu bekommen, und die nutzen sie. Maile fängt ihre agile Bühnenperformance ein und das nach allen Regeln der damaligen Recordingkunst. Es ist eine paradox scheinende Situation, den barbarischen Krach der Band so akkurat und exakt wie möglich aufzunehmen – aber es gelingt ihm. »Ace of Spades« wird auch sonisch ein Referenzalbum für weitere Produktionen im harten Geschäft und nicht zuletzt die extremen Genrespielarten wie Speed, Thrash und Black Metal maßgeblich beeinflussen.
Die Kompositionen fügen dem Motörhead-Kanon wieder ein paar wesentliche Einträge hinzu. Nicht zuletzt der Opener und Titelsong, der das Pokerspiel als Großmetapher nutzt für ein Leben aus dem Vollen. Schon die ersten Verse formulieren so etwas wie Lemmys Glaubensbekenntnis und gehören mittlerweile zum ehernen Zitatenschatz der Metal-Folklore. »If you like to gamble / I tell you, I’m your man / You win some, lose some / It’s all the same to me.«
Der Song beginnt mit der typischen gedroschenen Bassphrase, einem sich steigernden Philthy-Animal-Wirbel, der dann übergeht in eine alles planierende Doublebass-Breitseite, die durch Fast Eddies Riffs schließlich eine klare harmonische Richtung bekommt. Lemmys angestrengtes Ächzen versucht die Eingängigkeit zu camouflieren, aber es gelingt ihm nicht. Sie wissen genau, was sie an diesem Song haben, deshalb setzen sie ihn an den Anfang. »Ace of Spades« ist ihre neue Erkennungshymne, noch offensichtlicher als »Motorhead«, und damit Fluch und Segen gleichermaßen, weil Lemmy von nun an gezwungen sein wird, den Song bis zu seinem Lebensende zu spielen.
Es ist ein Geniestreich wie »Satisfaction«, »Born to Be Wild«, »Smoke on the Water« oder »Highway to Hell«. Mittlerweile auch genauso totgedudelt, dass es manchmal schwerfällt, seine Qualitäten noch einmal unvoreingenommen zu goutieren. Allein der Mittelteil mit seinem perkussiven Swing – Lemmy nannte das gern die »Steptanzeinlage« – ist sein Geld wert. Sie mündet so organisch in den abgestoppten Mitgrölpart, dass man irgendwann den Eindruck gewinnen musste, diese Struktur sei gar keine künstlerische Entscheidung, sondern eine quasinaturgesetzliche Notwendigkeit. So sieht das auch das Publikum, das nun immerfort vergeblich versuchen wird, den Sänger zu übertönen. »You know I’m born to lose / And gambling’s for fools / But that’s the way I like it, baby / I don’t want to live forever / And don’t forget the joker.«
Der Opener gibt das enorme Albumtempo vor, das von nassforsch über forciert bis volle Pulle reicht. Allein »The Chase Is Better than the Catch« dimmt die Geschwindigkeit etwas herunter und stampft eher, allerdings immer noch energisch und agil, durch ein paar denkwürdige Riffs, auf denen Lemmy einmal mehr seine pragmatische Gossenphilosophie ausbreitet. Man kann das Stück als Variation von »Ace of Spades« hören. Hier und auch in »Live to Win« paraphrasiert bzw. vertieft er seine Idee vom Spiel des Lebens, das viel zu großen Spaß macht, um sich von den obligatorischen Widerständen und Niederlagen einschüchtern zu lassen. Sieg oder Niederlage sind sekundär, das Leben selbst ist der Gewinn.
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