Digitaler Pillenhandel
Von Oliver Rast
Die Marschroute ist klar: expandieren. Nun wollen deutsche Handelsriesen ins Arzneibusiness einsteigen, Onlineapotheken aufbauen, rezeptfreie Medikamente vertreiben, berichtete das Handelsblatt in seiner Mittwochausgabe. Kein Wunder, der Apothekenmarkt ist lukrativ.
Und wie: Im ersten Quartal 2025 verzeichnete die Branche ein Umsatzplus von 6,4 Prozent im Vorjahresvergleich, hatte jüngst das Datenanalyseunternehmen aus der Gesundheitsforschung IQVIA errechnet. Das entspricht einem Wert von 14,2 Milliarden Euro. Oder: 444 Millionen Packungen haben stationäre und Onlineapotheken an Patienten abgegeben, knapp zwei Prozent mehr als im Zeitraum des Vorjahres.
Vorreiter ist dem Handelsblatt zufolge die Drogeriemarktkette dm. Wohl noch in diesem Jahr will das Unternehmen mit eigenen online vertriebenen apothekenpflichtigen, rezeptfreien und freiverkäuflichen Präparaten an den Start gehen, hieß es auf der dm-Jahrespressekonferenz am Dienstag in Karlsruhe. Also mit sogenannten OTC-(Over-the-Counter)-Arzneimitteln. Lediglich letzte behördliche Genehmigungen stünden bis dato aus. Ein Problem: In Deutschland dürfen nur approbierte Apotheker eine Apotheke betreiben. Die Lösung: Medikamentenversand aus dem Ausland – im Fall von dm aus dem tschechischen Bor. Dort, wo der Drogist sein Logistikzentrum hat.
Seit kurzem testet dm in ausgewählten Filialen Gesundheitsangebote wie Haut- und Blutanalysen sowie Augenscreenings, was bei Arztverbänden auf Kritik stieß. Ferner gibt es mittlerweile Selbsttests, etwa für Vitamin D und Eisen, im Angebot. Aber nicht nur dm hat Ambitionen, in das Verkaufsgeschäft mit Aspirin, Mobilat & Co. einzusteigen. Auch der Drogeriekonkurrent Rossmann und der Discounter Lidl der Schwarz-Gruppe sondieren die Marktlage und checken den Einstieg in den Versand von Medikamenten, wie mehrere Branchenkenner dem Handelsblatt anvertraut haben.
Fakt ist: Onlineapotheken bauen ihren Marktanteil immer stärker aus, weiß das Handelsblatt. Demnach wuchs der Versandhandel 2024 um mehr als elf Prozent auf 3,5 Milliarden Euro Umsatz. Das ist derweil ein Viertel des Marktes. Die Umsätze der Vor-Ort-Apotheken mit rezeptfreien Medikamenten wuchsen hingegen nur um rund 2,3 Prozent auf 10,67 Milliarden Euro.
Laut Branchenexperten verfügt dm über drei besondere Stärken, die dem Drogerieunternehmen den Eintritt in den digitalen Gesundheitsmarkt erleichtern: ein hohes Maß an Markenvertrauen, eine große und aktive Kundschaft mit intensiver App-Nutzung sowie eine bewährte »operative Exzellenz im Tagesgeschäft«. Diese Kombination, gepaart mit der inhaltlichen Nähe zu gesundheitsbezogenen Drogerieprodukten, verschafft dm eine solide Ausgangsposition. »Damit kann das Unternehmen schnell an Relevanz gewinnen, ohne sich dem aggressiven Preiswettbewerb der großen Onlineapotheken vollständig aussetzen zu müssen«, wurde Gesundheitsmarktexperte Fabian Keske im Handelsblatt zitiert. Das Potential reiche aus, um sich im Segment zügig unter den führenden Onlineanbietern zu etablieren.
Aber: Ein Selbstläufer dürfte der »digitale Pillenhandel« nicht sein. Zwar könnte einer Branchenprognose zufolge dm im kommenden Jahr bereits 190 Millionen Euro Umsatz mit seiner Onlineapotheke erzielen. Der Abstand zu den beiden Bigplayern Shop Apotheke mit rund 1,2 Milliarden Euro Jahresumsatz und Doc Morris mit 900 Millionen Euro wäre aber noch groß.
Davon unabhängig, der Expansionsdrang von Onlineversendern wird eine Nebenwirkung haben: ein beschleunigtes Apothekensterben in Stadt und Land.
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