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Aus: Ausgabe vom 22.10.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Schiffahrt

Vertagtes Klimaschutzabkommen

Net Zero Framework der Internationalen Schiffahrtsorganisation vorerst gescheitert
Von Burkhard Ilschner
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Erneut sind Maßnahmen zum Klimaschutz auf den Ozeanen gescheitert; Leidtragender ist vor allem der globale Süden

Mehr als 40 Jahre müssten Schiffahrtshistoriker zurückgehen, um in der Geschichte der Internationalen Schifffahrtsorganisation (IMO) einen vergleichbaren Rückschlag zu finden. Zu diesem ernüchternden Schluss kommt der maritime Nachrichtendienst Splash 247 aus Singapur. Anlass war die Vertagung eines Beschlusses zum Klimaschutzpaket Net Zero Framework (NZF) am Freitag vergangener Woche.

Reedereien, Seehäfen, Schiffbauer, Klimatechnik- und Logistikbetriebe, Meeresschützer – sie alle hatten einzeln und in ihren Verbänden nach dem Vorentscheid im April mehr oder weniger erwartet, dass das Marine Environment Protection Committee (MEPC) der IMO diesen Oktober das seit Jahren verhandelte Regelwerk endgültig auf den Weg bringen werde. Ja, es hatte im Vorfeld dieses jüngsten Treffens deutliche Polemik und sogar Drohungen der US-Regierung unter Donald Trump gegeben. Aber die Abstimmung im April war so deutlich ausgefallen, dass die Hoffnung berechtigt schien: Damals hatten 63 Staaten das NZF-Paket gebilligt, bei 16 Gegenstimmen (aus dem Lager ölexportierender Länder) und 24 Enthaltungen. Die erforderliche Zweidrittelmehrheit schien zum Greifen nahe.

Es sollte anders kommen. Ralph Regenvanu, Minister für Georisiken der durch die Folgen der Erderwärmung akut bedrohten pazifischen Inselrepublik Vanuatu, geißelte den Beschluss des MEPC als »inakzeptabel«. Er markiere das Versagen der IMO, »entschlossen gegen den Klimawandel vorzugehen«. Seine scharfe Kritik galt dem Verlauf der Londoner Sitzung: Das Fachmedium für Schiffahrt Lloyd’s List (LL) beschrieb die Situation als »Chaos«, das sich schließlich zur »Farce« entwickelt habe. Als Singapur »mehr Zeit« anmahnte – man stehe schließlich an einem »Scheideweg« zwischen Einheit und Spaltung –, quittierte Saudi-Arabien dies mit einem Antrag auf umgehende Abstimmung. Das ernüchternde Ergebnis: 57 Delegationen votierten für Aufschub, bei 49 Gegenstimmen und 21 Enthaltungen.

Laut LL stimmten neben Saudi-Arabien und weiteren Ölexporteuren auch Russland und China für Vertagung. Letzteres verblüfft, denn Beijing hatte das NZF noch im April unterstützt. Die EU-Staaten votierten dagegen – obschon nicht einheitlich, Zypern und Griechenland scherten aus. Brasilien hatte auf eine schnelle Verabschiedung gedrängt; ein Warten käme einem »Nein« zu den Maßnahmen gleich.

Eben das scheint indes das Ziel vor allem der Vereinigten Staaten, aber auch anderer Länder, die für Vertagung votiert haben. Das Onlineportal Marine Traffic zitiert den UN-Botschafter Washingtons, Michael Waltz, mit den Worten, man habe sich »gegen eine ideologische CO2-Steuer« der UNO und der EU durchgesetzt. Vor und während der MEPC-Tagung, so der Internetdienst weiter, hatte die Trump-Administration kleinen, aber stark vom Klimawandel gefährdeten Staaten »mit Vergeltungszöllen und Sanktionen« gedroht, falls diese das NZF unterstützen sollten.

Sicher ist, dass alle Beteiligten nun auf weitere Verhandlungen drängen werden – die einen, um das Projekt endgültig zu stoppen, die anderen, um durch Kompromisse doch noch eine globale Einigung zu erreichen. Was die dann allerdings taugen wird, ist ebenso ungewiss wie die Frage, ob sie zeitig genug kommt, um das angestrebte Net-Zero-Ziel 2050 noch zu erreichen. Was übrigens an die von Splash 247 zitierte Parallele erinnert: Vor mehr als 40 Jahren, 1984, war ein Haftungsübereinkommen für Schäden beim Gefahrstofftransport über See in der IMO krachend gescheitert. Erst zwölf Jahre später trat eine abgeschwächte Version weltweit in Kraft.

Zurück zum NZF: Selbst die der Ölwirtschaft wohl kaum abgeneigte Tankanlagenindustrie, die International Bunker Industry Association, unterstrich ihre Unterstützung für das Klimaabkommen. Scharfe Kritik gab es von etlichen Verbänden an der EU-Kommission, die nicht imstande gewesen sei, die eigenen 27 Mitgliedstaaten zur Geschlossenheit zu verpflichten. Auch habe sie sich, meint etwa der deutsche Reederverband VDR, gegenüber den USA »zu leise« verhalten.

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