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Aus: Ausgabe vom 22.10.2025, Seite 7 / Ausland
Österreich

Wien nimmt von den Ärmsten

SPÖ-Neos-Regierung kürzt bei Sozialleistungen und verschärft Repression
Von Christian Bunke, Wien
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Wen anlasslose Kontrollen treffen werden, ist klar: »Waffenverbotszone« am Yppenplatz in Wien (16.9.2022)

Unter vielen europäischen Linken hat die österreichische Bundeshauptstadt Wien immer noch den Ruf, sozialpolitisch »anders«, also fortschrittlich zu sein. Damit könnte bald Schluss sein. Denn das von einer Koalition aus Sozialdemokraten und der neoliberalen Partei Neos regierte Wien plant ein Kürzungspaket mit einer Reihe von Einschnitten, das von einer zunehmend autoritären Sicherheitspolitik flankiert wird.

Die lokale Ebene spiegelt sich im Bund. Dort regieren die Sozialdemokraten gemeinsam mit Neos und der konservativen ÖVP. Der sozialdemokratische Parteilinke Markus Marterbauer, der zuvor bei der Arbeiterkammer Wien tätig war, macht in dieser Regierung den Finanzminister. Und setzt dort wie seine Parteikollegen in Wien Kürzungen durch. Nachdem die SPÖ über Jahre hinweg eben diese Politik aufeinanderfolgender »schwarz-blauer« (ÖVP-FPÖ) Regierungen kritisiert hatte, verfolgt sie nun selbst einen ähnlichen Kurs.

Insgesamt will die Wiener Stadtregierung ein Budgetloch von zwei Milliarden Euro stopfen. Betroffen sind allgemein öffentliche Infrastrukturen und Lohnabhängige, insbesondere aber migrantische und marginalisierte Bevölkerungsgruppen. So will die Wiener Stadtregierung 200 Millionen Euro bei der Mindestsicherung einsparen. Und zwar bei subsidiär schutzberechtigten Geflüchteten, die ab 2026 keine Sozialhilfe mehr bekommen, sondern nur noch die wesentlich niedrigere Grundversorgung beanspruchen dürfen.

Laut Angaben der Menschenrechtsorganisation »SOS Mitmensch« wird das in Wien 10.000 Menschen betreffen. In einer Petition fordert die Organisation die Rücknahme dieser Maßnahme und spricht von einer »katastrophalen Ankündigung«. Die Betroffenen seien schon jetzt einer »massiven Armutsgefährdung« ausgesetzt. »Viele von ihnen werden ihre Mieten nicht mehr bezahlen und ihre Kinder nicht mehr ausreichend versorgen können«, so SOS Mitmensch im Begleittext zur Petition.

Andere von der Stadt Wien geplante Maßnahmen beinhalten die Erhöhung der Jahreskarte für den ÖPNV von jetzt 365 Euro auf 467 Euro. Aus deutscher Sicht mag dieser Betrag für eine Jahreskarte sehr niedrig erscheinen. Allerdings muss dabei berücksichtigt werden, dass die Lebenshaltungskosten in Österreich in manchen Bereichen um einiges höher sind als in der Bundesrepublik. Aus dieser Sicht ist die relativ niedrige Gebühr für die Nutzung des Wiener ÖPNV als Sozialmaßnahme zu sehen, die nun ausgehöhlt wird.

Hinzu kommt, dass die Gehälter für kommunale Beschäftigte im nächsten Jahr nicht ansteigen werden, es also auch keinen Inflationsausgleich geben wird. Die Gewerkschaften haben dem aus Rücksicht auf die sozialdemokratische Regierungsbeteiligung in Bund und Land zugestimmt. Verkündet wird das neue Wiener Budget Mitte November. Bis dahin könnten noch weitere Kürzungsmaßnahmen bekannt werden – sie werden gerade scheibchenweise veröffentlicht.

Einsparungen gehen oft Hand in Hand mit wachsender Repression. Auch hier ist Wien nicht anders. Im Juli und August traten in drei Wiener Bezirken sogenannte Waffenverbotszonen in Kraft – und zwar am Praterstern, in Innerfavoriten und in der Gegend rund um den Yppenplatz im Bezirk Ottakring. Zwar handelt es sich hier um sehr verschiedene Gegenden. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie entweder stark migrantisch geprägt sind oder Anziehungspunkte für marginalisierte Bevölkerungsgruppen wie zum Beispiel Obdachlose sind. Besonders von der Kürzung bei der Mindestsicherung betroffene Menschen werden oft in den mit Waffenverbotszonen belegten Gegenden anzutreffen sein.

Die Einrichtung dieser Zonen ermöglicht nun der Polizei die anlasslose Kontrolle von Personen, denen unterstellt wird, sie könnten zum Beispiel Messer oder Gartenscheren dabei haben. Vom Yppenplatz berichten Anrainer bereits davon, dass vor allem migrantische junge Männer im Visier der Polizei stehen und sich bei den Kontrollen teilweise entkleiden müssen. Laut einer Aussendung der SPÖ Wien vom 30. Juli soll dies die Einhaltung der »Wiener Hausordnung« gewährleisten.

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