Reichtum auf Pump
Von Klaus Fischer
Alljährlich bringt der Versicherungsriese Allianz SE mit seinem »Global Wealth Report« das Publikum auf den neuesten Stand, wie es um das globale Geldvermögen der Privathaushalte steht. Das eilt von Rekord zu Rekord, belief sich Ende 2024 auf umgerechnet 269 Billionen Euro brutto – unter Abzug (privater) Schulden wären das 210 Billionen Euro netto. Eine schwer zu fassende Zahl. In diesem Jahr erwarten die Allianz-Experten ebenfalls einen kräftigen Anstieg von etwa sechs Prozent.
Solch monströse Summen verführen zu verbalen Übertreibungen. So schrieb dpa in einem Beitrag vom Freitag einen Satz, der die Ambivalenz dieser Art von Berichten deutlich macht: »Die Menschen rund um den Globus sind nach Berechnungen der Allianz in Summe so reich wie nie – und dürfen 2025 mit einem weiteren Anstieg ihrer Geldvermögen rechnen.« Schön wäre es. Nicht umsonst beziehen sich die Angaben auf nur 51 Staaten. Diese allerdings stünden für 91 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung und 72 Prozent der Weltbevölkerung, so der Finanzkonzern.
Als Geldvermögen gelten kleine Ersparnisse ebenso wie große oder riesige private Anlagevermögen in Wertpapieren wie Aktien oder Schuldverschreibungen. Immobilien- oder Landbesitz sind nicht inbegriffen. Die Geldvermögen spiegeln insofern nur einen Teil des Ganzen wider. Reichtum ist auch kein präziser Begriff – aber zugleich das erwünschte Ergebnis einer individuellen Triebkraft, die keine Gesellschaftsordnung besser bedienen kann als der globale Kapitalismus. Es sind die diesem Reproduktionssystem inhärenten Gesetzmäßigkeiten, die letztlich für eine immer stärkere Polarisierung der Gesellschaft verantwortlich sind.
Während der Phase der Globalisierung wurde die Losung verbreitet, dies sei der neue Weg auch für arme und wenig produktive Regionen und Staaten, sich aus der Stagnation zu befreien. Das gelang, wenn auch nur teilweise. Der Aufstieg Chinas zur globalen Industriemacht ist nur das hervorstechendste Beispiel. Auch Indien, Russland, Indonesien, Vietnam, Brasilien und selbst zunächst abgehängte Staaten wie Ägypten oder Nigeria wuchsen aus ihrer Rolle als ökonomische Underdogs heraus. Und sie schufen zugleich ein politisches Gegengewicht – nicht zuletzt mit der BRICS-Organisation.
Das US-Großkapital reagierte spät. Das ist zwar weiter dominant, weil im Besitz der globalen Finanzinfrastruktur, und es kann über gigantische Fonds und die Leitwährung US-Dollar mehr als nur die westliche Hemisphäre kontrollieren. Allerdings erodierte als Ergebnis der Globalisierung auch die Homeland-Basis. Dort explodierte die Staatsverschuldung – eine direkte Funktion des wachsenden Geldvermögens der Besitzenden. Eine gigantische und extrem teure Militärmacht und nicht mehr zu bewältigende andere Kosten an der Heimatfront sorgten für eine Gegenbewegung.
Statt Klimarettung ist dort nun die KI-Revolution mit Atomkraftwerken angesagt – und nicht nur nebenbei die Sicherung der angestammten ökonomischen Claims. Das System Trump setzt statt auf Kooperation auf brutale Macht. Zölle statt Auslandsinvestitionen, Rückholung der verlorenen Industriestrukturen, Erpressung von »Partnern« und Gegnern. Und bislang funktioniert es.
Fakt ist: Die US-Geldvermögen sind gewaltig angestiegen. Aber das ist hauptsächlich Ergebnis einer anschwellenden Börsenblase, deren Hauptexponenten mit unglaublichen Bewertungen gewaltigen Reichtum vorgaukeln. So ist Börsenliebling Nvidia im Sommer 2025 rund vier Billionen US-Dollar (4.000 Milliarden) »wert« gewesen und konnte lange Zeit Monopolpreise realisieren. Seit Sommer 2015 ist dessen Aktienkurs um rund 33.500 Prozent gestiegen.
Aktienwerte sind indes Tages‑, manchmal nur Stunden- oder Minutenwerte. Ungeachtet dessen dient die Börsenbewertung als wichtigste Quelle für die festgestellten explodierenden Geldvermögen. Nur können die schon morgen extrem schrumpfen – und sagen insofern wenig über die nahe und fernere Zukunft aus. Nur wer beim Höchststand verkauft, realisiert maximalen Extraprofit.
Parallel rückt die Gegenrechnung immer stärker in den Blick. So meldete Reuters am Freitag, dass die weltweite Verschuldung ebenfalls auf ein Rekordhoch gestiegen sei. »Der Schuldenberg zum Ende des zweiten Quartals beläuft sich auf 337,7 Billionen US-Dollar, wie am Donnerstag aus einem Bericht des Internationalen Finanzinstituts (IIF) hervorgeht«, hieß es. Allein im ersten Halbjahr sei die Verschuldung um mehr als 21 Billionen US-Dollar gewachsen. Als Gründe nannte das Institut gelockerte Finanzierungsbedingungen, einen schwächeren US-Dollar und die konjunkturstützende Haltung großer Zentralbanken.
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