Favoriten
Von René Hamann
Neulich habe ich mal wieder einen Field-Punkt in der österreichischen Regionalliga Ost gesammelt. Nachdem ich die mittelschmucken Kästen von Rapid und Austria, das altehrwürdige Ernst-Happel-Stadion sowie die Drittligastadien vom Wiener SC (mit »Friedhofstribüne«, wird allerdings gerade umgebaut) und das Dorfplatz-mit-Gastrohütten-Stadion der Wiener Viktoria begutachtet hatte, hieß es am letzten Augustfreitagabend, zum Favoritner AC zu gehen.
Der Favoritner AC, nicht so wirklich kurz FavAC, wobei das große A für Athletik steht, war mal Erstligist. Er residiert im berüchtigten 10. Bezirk, Favoriten, und hat wie der WSC ein Stadion, das sich mitten in einem Wohnblock befindet. Mehr noch: Es sieht aus, als sei die Gegentribüne mitten in eine Mietskaserne gebaut worden. Dem ist aber nicht ganz so, vielmehr war die Tribüne zuerst da. Kein Scherz, das Mietshaus wurde im nachhinein einfach drumherum gebaut. Ein Faszinosum.
Faszinierend ist auch der Verein. Klassische Arbeiterklasse, mit sehr hohem Migrantenanteil, Bierpreise trotzdem recht hoch, auch das leckere serbische Burgerding mit Namen Pljeskavica rief stolze acht Euro ab, für den Eintritt reichte der Presseausweis, insofern: Gönn dir.
Und irgendwoher muss das Geld ja kommen, schließlich braucht es für die Regionalliga Ost eine halbe Million an Budget, wie uns ein Stammfan in der Bierschlange unterrichtete. Da unten spielen Profis, aber der Verein ist klamm, und eigentlich spielt er eine Klasse zu hoch. Er hat die Klasse nur gehalten, weil ein anderer Klub pleite ging. Trotzdem laufen die in den schwarzen Dressen wie die Hasen. Gegner ist die in Rot gekleidete Viktoria von Trainer Toni Polster. Die sind favorisiert gegen die Favoritner, spielen dominant und liegen trotzdem zur Pause mit 0:1 hinten.
Was dann kommt, ist bestes Freitagabendunterhaltungsprogramm. Die Viktoria schnürt die Schwarzen hinten ein, bleibt aber ideenlos. Sie hat einen Sturmtank vorne drin, der völlig in der Luft hängt. Tausend Flanken segeln ins Nichts. Da sag’ ich zu meiner Begleitung: Pass auf, letzte Minute, und der Sturmtank, an dem das komplette Spiel bislang vorbei lief, staubt zum 1:1 ab. Dann Nachspielzeit, Heimtrainer Kadir, ein goscherter Ungustl, wie man in Wien sagt, bekommt Gelb wegen Meckerns, ein letzter Freistoß segelt in den Elfer, ein Stochern und Stümpern, und der Sturmtank stopft den Ball zum Ausgleich rein. Die 20 People aus der Gästefankurve flippen komplett aus.
Aber das war noch nicht alles! Noch eine Zusatzminute auf der Uhr des Schiris, letzter Angriff, zack! Schon wieder drin! Der Viktoria-Anhang kennt kein Halten mehr! Regionalliga Ost, die fleischgewordene Kreisliga! Ich gehe jetzt öfter hin. Lohnt sich, nicht nur der Stadien wegen.
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Geglückte Revanchen
vom 08.09.2025