Verbandsstrafen abschaffen
Von Oliver RastUnd »Whoosh!« Die akustische Effekthascherei ist gewollt: Mit raschem Luftzugsound schießt ein Schriftzug ins Standbild. »Strafen zünden nicht«, steht da. Im Hintergrund ertönt eine tiefe, volle Baritonstimme. Direkt aus dem Ernst-Abbe-Stadion in Jena: »Hiiier kooommt diiie Maaannschaft unsereees Eff Cee Carl-Zeiss …« Dann, Cut. Neue Szene. Blick auf die aktive Kurve der Jenenser. Fans präsentieren ein Banner oberhalb des Blocks: »Verbandsstrafen abschaffen.« Weiße Bengalos leuchten den Bannerspruch grell aus. Der Auftakt eines sechseinhalbminütigen Agitpropclips.
Bereits im November 2023 hatten engagierte Anhänger des Fußballsports vor allem aus der viertklassigen Regionalliga Nordost die Kampagne ins Leben gerufen – vereinsübergreifend. Am Freitag legten die Aktivisten nach, mit dem Papier »Neue Saison – gleiche Forderung: Verbandsstrafen abschaffen« samt besagtem Video. Das Besondere: Einzelne Klubbosse sind solidarisch. Etwa Fabian Drescher: »Verbandsstrafen in der jetzigen Form erfüllen nicht den Zweck, den sich die Verbände erhofft haben«, so der Präsident von Hertha BSC in einer Clippassage.
Zumal das aktuelle System der Strafenpolitik »willkürlich und intransparent« sei, ferner Vereine massiv treffe, heißt es in dem Positionspapier. Und zwar nicht nur bei »Pyrovorfällen«. Ob inkriminierte Zaunfahnen, Spruchbänder oder das Verhalten einzelner: »Die Strafhöhen variieren stark, oft ohne nachvollziehbare Begründung.« Die Konsequenzen reichten von eingeschränkter Handlungsfähigkeit in den Fanblöcken bis hin zu existenzbedrohenden finanziellen Belastungen, »die besonders kleinere Vereine nicht mehr stemmen können«. Stimmt. Klubs wie der SV Babelsberg 03 beispielsweise. In den vergangenen anderthalb Jahren seien die 03er vom Nordostdeutschen Fußballverband zu Strafzahlungen in Höhe von rund 100.000 Euro verurteilt worden, erzählt Exvorständin Barbara Paech in dem Clip. Eine horrende Summe, die dem Verein arg zugesetzt habe.
Dabei entstehe der Eindruck, »dass sich Verbände an der Fankultur bereichern, obwohl sie als gemeinnützige Organisationen dazu rechtlich gar nicht befugt sind«, schreiben die Kampagnenmacher. Positive, kreative Fankultur werde dadurch ignoriert oder sogar kriminalisiert. Das sei nicht nur rechtlich fragwürdig, sondern beschädige auch das Vertrauen in faire Verfahren und öffne populistischer Stimmungsmache Tür und Tor. »Gerade hier zeigt sich: Die Verbände überschreiten ihre eigentliche Rolle und legitimieren ein System, das nicht auf Gerechtigkeit, sondern auf Machterhalt basiert.« Eine Entwicklung, die gestoppt werden müsse.
Dafür braucht es Kondition und Kontinuität. Was bislang klappt. Ein Höhepunkt: zwei aufeinanderfolgende Aktionsspieltage im März und April des Jahres. Transparente, Doppelhalter und dergleichen mit der zentralen Kampagnenbotschaft waren in zahlreichen Arenen zu sehen. Erstmals nicht nur im Osten der Republik, auch tief im Westen. In Saarbrücken, in Stuttgart, in Ingolstadt, in Oldenburg.
Selbst einige Trainer positionieren sich. Vorneweg Steffen Baumgart, damals noch Übungsleiter in Köln beim FC. Denn klar ist: »Mit Verboten erreichst du in der Fußballszene nichts – in keinem Stadion der Welt. Das sieht man doch seit Jahren.« Ein Umdenken müsse stattfinden, weil Geldstrafen noch keine Pyrofackel verhindert habe. Auch das stimmt.
Weiterer Beleg: Der Viertligakick in Zwickau des FSV gegen Jena am Freitag abend. Die Kurven demonstrierten mit einer gemeinsamen Banneraktion – und fackelten fordernd: »Verbandsstrafen abschaffen!«
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