Lebewohl, Carolina!
Von Jürgen Heiser
Wir gedenken Carolina Saldañas, die dazu beigetragen hat, Nachrichten über unsere Bewegung hier in den Vereinigten Staaten an ihre Brüder und Schwestern in Mexiko weiterzugeben. Sie brachte auch Nachrichten über die Kämpfe der Armen, der Unterdrückten, der indigenen Gemeinschaften und der arbeitenden Bevölkerung Mexikos zu uns. Und von den vielen Geschichten, die sie für uns aufschrieb, ist keine erschreckender als die über das Ausbildungszentrum für Lehrkräfte »Escuela Rural de Ayotzinapa«, wo der mexikanische Staat (im Jahr 2014, jW) mit der Hilfe von Kriminellen mehr als vierzig junge Menschen massakrieren ließ, die Lehrer werden wollten, um Bildung in indigene und arme Gemeinschaften in Mexiko zu bringen.
Sie wurden aufgrund ihrer politischen Überzeugungen umgebracht und an unbekanntem Ort verscharrt. Man ließ sie verschwinden, weil sie junge Aktivistinnen und Aktivisten waren, die sich für eine bessere Zukunft ihrer Gemeinden in Mexiko einsetzten. Und Carolina hat uns diese Geschichten erzählt. Sie hat uns nicht nur berichtet, was passiert ist, sondern auch erklärt, warum. Sie brachte uns viele der Verschwundenen nahe, deren Körper bis heute nicht aufgefunden wurden, und machte uns mit ihren Namen vertraut. Als wir zum ersten Mal davon hörten, waren wir fassungslos. Wir konnten es zunächst nicht glauben, aber wir mussten es glauben, denn die Fakten sprachen eine deutliche Sprache. Und wir leben in einem Zeitalter des Neoliberalismus, in dem Regierungen Verbrechen begehen können und ungestraft davonkommen.
Carolina war mutig, sie war eine tapfere Frau. Sie konfrontierte die Mächtigen mit der Wahrheit und berichtete von ihrer Gemeinschaft und von anderen in ganz Amerika. Sie erzählte den Menschen in Mexiko vom Befreiungskampf der Schwarzen, vom »Black August« – dem Gedenkmonat, in dem in den USA und auf dem ganzen amerikanischen Kontinent seit weit über einem Jahrhundert an den Widerstand der Schwarzen erinnert wird. Sie erzählte von unserem Kampf gegen Polizeigewalt und gegen Unterdrückung und Gewalt in den Gefängnissen Philadelphias, Pennsylvanias und überall in Amerika.
Wir werden Carolina Saldaña niemals vergessen. Wir ehren sie, wir denken an sie und wir erinnern uns an ihren revolutionären Geist. Wir danken ihr für das Geschenk ihrer Anwesenheit auf dieser Welt, in Mexiko und in den Herzen vieler Menschen in Black America.
Übersetzung: Jürgen Heiser
Am 16. August fand in Mexiko-Stadt im Rahmen des diesjährigen »Black August« eine Gedenkveranstaltung für die am 1. August unter bislang noch unbekannten Umständen verstorbene Compañera Carolina Saldaña statt. »Caro« gehörte der Generation an, die in den Basisbewegungen der 1960er Jahre begann, beharrlich ihre Überzeugung in die Tat umzusetzen, dass eine andere Welt möglich ist. Sie stammte ursprünglich aus den USA, lebte aber schon seit vielen Jahren in Mexiko-Stadt und organisierte dort mit den »Amigos de Mumia« die Solidarität für den politischen Gefangen. Sie arbeitete eng mit dem Projekt Prison Radio zusammen, und nicht wenige der von dem politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal per Telefon aus dem Knast übermittelten Kolumnen, die auch in junge Welt veröffentlicht wurden, hatte Caro auf Englisch transkribiert und ins Spanische übersetzt.
Erschüttert von ihrem plötzlichen Tod veröffentlichte die Gruppe »Amigos de Mumia« nun ein »Lebewohl an unserer Schwester Carolina Saldaña«: »Allen Widrigkeiten zum Trotz warst du viele Jahre lang an unserer Seite. Wir haben deine Solidarität gespürt und von ihr und deinem unermüdlichen Kampf gegen das Gefängnissystem gelernt. Dank dir ist Mumia Abu-Jamal in unseren Kämpfen präsent. Wir verabschieden uns von dir mit viel Liebe und Dankbarkeit und mit der Kraft, die du uns über die Jahre gegeben hast. Wir werden uns an dich erinnern bei jeder Zeile, die wir in den Texten lesen, die du uns hinterlassen hast, und auch daran, wie nah du uns an die Kämpfe herangeführt hast, an denen du selbst beteiligt warst. Fliege hoch – über alle Mauern hinweg.« (jh)
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