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Aus: Ausgabe vom 12.08.2025, Seite 8 / Ansichten

Wurst des Tages: Thüringer

Von Hagen Bonn
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Urkundlich erwähnt seit 1269: Thüringer Roster

Mitten im Sommerloch entert eine Sensation die deutschen Nachrichtenagenturen. Und ernsthaft stellt sich die Frage: Muss die Weltgeschichte der Bratwurst neu geschrieben werden? Wird es einen Krieg der Grillschürzen geben? Das schauen wir uns genauer an: Erfurter Forscher haben eine Urkunde von 1269 gefunden – da werden eine »Hütte« und ein »Bräter« erwähnt. Fundort ist die weltberühmte Krämerbrücke in der Landeshauptstadt Thüringens. Die Brücke lag im Hochmittelalter an der wichtigen Handelsstraße Via Regia und trug damit zum Aufblühen der Stadt wesentlich bei.

Projektleiter »Welterbe« der Thüringer Landeshauptstadt, Martin Sladeczek, und der emeritierte Historiker Karl Heinemeyer schließen aus den zwei Wörtern, dass die erste Bratwurst der Welt eine »Thüringer« war. Bisher galten Regensburg und Nürnberg als Erfinder der Bratwurst, wobei beide Städte ähnlich schwache Belege für ihren Anspruch vorweisen können. Anders Arnstadt, da wurde 1404 nachweislich »1 Groschen für Bratwurstdärme« ausgegeben.

Wie dem auch sei, wir werden es nie herausfinden. Nie? Für mich als gebürtigem Thüringer ist die Sache recht simpel: Die Thüringer sind um 100 v. u. Z. vor Ort, die Römer treiben gern Handel mit ihnen. Regensburg, ein tristes Militärcamp der Römer, das erst ab 179 n. u. Z. entstand, scheidet damit aus. Von Nürnberg, das erst um 1050 seinen Weg in die Weltgeschichte findet, müssen wir gar nicht erst anfangen.

Ach, im Grunde verbietet sich die Frage, was Römer und Thüringer in den Handelskontoren am Rennsteig futterten. Das war weder Dresdner Christstollen noch Kasslerbraten. Auch kein Russischer Zupfkuchen oder Chinapfanne! Nein, es waren Bratwurst, Klöße und Rotkraut. Letzteres brachten die Römer mit. Aus ihren römischen Gärten.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (12. August 2025 um 12:07 Uhr)
    Bratwurstkrampf in der Gurkenzeit. Erfurt hat’s bewiesen: Schon 1269 gab’s hier »Hütte« und »Bräter«. Für Historiker ein Fund, für Thüringer Alltag – und für Nürnberg und Regensburg eine Krampferklärung. Dort sucht man nun fieberhaft nach älteren Belegen: vielleicht ein römischer Einkaufszettel (»Senf, Bier, Bratwurst«). Doch Fakten sind wie Würste: Am besten genießt man sie, ohne zu genau hinzusehen. Wer einmal in Thüringen am Rost stand, weiß – hier wurde nicht nur Geschichte geschrieben, hier wurde sie gegrillt. Alles hat ein Ende. Nur der Streit um die Bratwurst – der hat Nachschlag.

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