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Aus: Ausgabe vom 11.08.2025, Seite 16 / Sport
Quälix Austria

Ausgefallene Dressen

Von René Hamann
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So muss Merch aussehen: Nicht kleckern, klotzen

Der TSV Hartberg, wer kennt ihn nicht. Der diesjährige Pokalfinalist – nur knapp dem ebenfalls erstmalig im Finale stehenden Wolfsberger AC unterlegen – hat sich diesmal etwas ganz Besonderes einfallen lassen, um Aufmerksamkeit, bekanntlich ein hohes Gut, zu generieren. Moment mal, Hartberg? Wolfsberg? Pokalfinale? Wovon reden wir? Von der Landesliga Oberpfalz?

Nein, wir reden selbstverständlich von Österreich. Hartberg ist eine liebliche, na ja Stadt, ein Städtchen eher, in der Steiermark, 6.725 Einwohner. Der TSV, der örtliche Fußballklub, hatte in der letzten, recht erfolgreichen Saison einen Zuschauerdurchschnitt von 3.070 pro Spiel, in der Bundesliga wohlgemerkt; es war also jeweils fast das halbe Dorf auf den Beinen, um den TSV spielen zu sehen. Kann sein, dass es in der neuen Saison – nach einem 2:4 in Tirol folgte ein 1:0 bei BW Linz, das erste Heimspiel kommt erst noch – nochmals mehr Zuschauer geben wird, denn der TSV ist Kult. Warum? Wegen der »Dressen«.

Als »Dressen« bezeichnet man in Österreich die Trikots. Die Vereine leben wie altehrwürdige Rockbands inzwischen stark vom Merch, also dem Verkauf von fetischisierter Ware, die eigentlich Werbung für den Verkäufer macht, aber vom Käufer bezahlt wird. Klubs, die etwas auf sich halten im Zeitalter der Allesverkaufe, haben pro Wettbewerb mindestens ein Trikot im Repertoire, in den Ausführungen »Heim«, »Away« und »Ausweich«. Wer Fan des FC Bayern ist, kann sich – da kommt dann noch das Oktoberfesttrikot dazu – pro Saison mit mindestens sechs verschiedenfarbigen Dressen eindecken.

In Österreich, wo Klubs nach den geldgebenden Konzernen heißen können, wird jedes Fitzel genutzt, um etwas Geld zu machen. Sogar auf den Hosen steht Werbung. Der TSV hat es jetzt geschafft, das Prinzip auf die Spitze zu treiben: auf seinem Trikot finden nicht weniger als 19 Werbeträger Platz, Weltrekord!

Ein ganz besonderer Werbeträger ist auch dabei, nämlich die Firma der Vereinspräsidentin. Die, also die Präsidentin, nicht die Firma, heißt Brigitte Annerl und wurde mit Kapseln, die schnellere Spermien versprechen, sehr, sehr reich. »Spermbooster« steht dann auch auf dem Leiberl. Das gibt es, wenn mich die Bildquellen nicht täuschen, auch als Ausweichtrikot in Lachsrosa. Fans und Freaks dieser Welt, kauft dieses Trikot! Es könnte schnell weg sein.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Otto B. aus Altlichtenwarth (Österreich) (10. August 2025 um 22:57 Uhr)
    So lustig, wie das klingt, ist es nicht. Vereine wie Hartberg brauchen diese Vielzahl an Sponsoren, um überhaupt oben mitspielen zu können. Dass Vereine aus so kleinen Orten in der Bundesliga spielen, hat schlicht und einfach auch mit dem Bankrott einigerTraditionsvereinee zu tun, die jetzt in der vierten, dritten oder zweiten Liga spielen. Es hat aber auch mit der Bevölkerungsstruktur Österreichs zu tun. Es gibt mit Wien nur eine Großstadt, Graz, Linz, Innsbruck und Salzburg sind schon Kleinstädte mit 100.000 bis 200.000 Einwohnern, und aus diesen fünf Städten kommen acht der zwölf Bundesligavereine. Die vier großen Vereine brauchen nicht so viele Sponsoren auf der »Dress«, da sie Konzerne als Geldgeber haben: Rapid hat die »Wien Energie«, den gemeindeeigenen Energieversorger der Stadt Wien, die Austria wird von der Holding der Stadt Wien gesponsert, Red Bull hält sich Salzburg (und Leipzig). Der Vorjahresmeister Sturm Graz wird von Heineken gesponsert und ist daher nach einer regionalen Biermarke – Puntigamer – benannt. Trotzdem haben auch diese Vereine noch weitere Sponsoren auf Trikots und Hosen, aber eben nicht 19 wie in Hartberg.

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