Protestwelle wächst an
Von Kristian Stemmler
Angesichts der absichtlich herbeigeführten Hungersnot in Gaza lässt sich auch in Deutschland die Kritik an Israel nicht länger niederhalten und als »antisemitisch« diffamieren. In der Öffentlichkeit wächst der Protest gegen das Vorgehen der israelischen Regierung von Tag zu Tag. So fordern mehr als 200 Prominente aus dem Kulturbereich in einem am Donnerstag veröffentlichten Schreiben an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) unter anderem einen sofortigen Stopp aller Waffenlieferungen an Israel. Zugleich rollt eine Welle von Strafanzeigen gegen Merz wegen der deutschen Unterstützung Israels im Gazakrieg. Seit Ende vergangener Woche sind mehr als 1.000 Anzeigen gegen den Kanzler eingegangen, teilte die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe dem Magazin Focus (Mittwoch) mit.
Der offene Brief ist mit den Worten »Lassen Sie Gaza nicht sterben, Herr Merz« überschrieben. Die Unterzeichner loben, dass der CDU-Politiker in den vergangenen Tagen »Stellung bezogen und die israelische Regierung kritisiert« habe. Das reiche aber nicht, heißt es weiter: »Worte alleine retten keine Leben.« Man verurteile »die grauenvollen Verbrechen der Hamas aufs Schärfste«. Aber kein Verbrechen legitimiere es, »Millionen von unschuldigen Menschen auf brutalste Weise kollektiv zu bestrafen«.
Zu den Erstunterzeichnern gehören die Moderatoren Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, die Musikerin Shirin David, die Schauspielerinnen Anna Thalbach, Jessica Schwarz, Heike Makatsch und Liv Lisa Fries, die Schauspieler Benno Fürmann, Armin Rohde, Daniel Brühl und Jürgen Vogel sowie der Autor Marc-Uwe Kling. Verfasst wurde der offene Brief von der Regisseurin Laura Fischer und der Menschenrechtsorganisation Avaaz. Neben dem Stopp der Waffenlieferungen fordern die Unterzeichner ein Aussetzen des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel, einen sofortigen Waffenstillstand sowie ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe in den Gazastreifen.
Die Rüstungslieferungen nach Israel sind auch Gegenstand der Strafanzeigen gegen den Kanzler, so in einer am Montag von der Gelsenkirchener Kanzlei Meister & Partner beim Generalbundesanwalt eingereichten Anzeige, die junge Welt vorliegt. Mit der Genehmigung der Exporte habe die Bundesregierung »wissentlich die massiven völker- und menschenrechtswidrigen Angriffe auf den Gazastreifen« unterstützt, heißt es darin. Die Kanzlei hat die Anzeige, in der der alten und der neuen Bundesregierung Beihilfe zu Kriegsverbrechen vorgeworfen wird, im Auftrag mehrerer Organisationen erstattet, darunter das palästinensische Gesundheitsnetzwerk Al-Awda.
Konkret geht es um Angriffe der israelischen Armee auf Krankenhäuser des Netzwerks, bei denen mehrere Beschäftigte getötet wurden, sowie um die Zwangsräumung des Al-Awda-Krankenhauses in Gaza am 29. Mai 2025. Die Anzeigeerstatter fordern, dass »umgehend strafrechtliche Ermittlungen gegen die verantwortlichen Regierungsmitglieder eingeleitet, diese zur Rechenschaft gezogen und die Rüstungsexporte an Israel sofort gestoppt werden«.
Wegen »Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit« hatte Selina Pfister, Kreisvorsitzende der Linkspartei Aschaffenburg-Miltenberg, bereits am vergangenen Donnerstag Anzeige gegen Merz erstattet. Pfister erklärte in einer Mitteilung, sie habe »nicht länger tatenlos zusehen können«, wie im Gazastreifen »unvorstellbares Leid über die Zivilbevölkerung« gebracht werde. Zehntausende Menschen seien getötet, verletzt oder vertrieben worden.
Der Bundesregierung wirft die Linke-Politikerin vor, die Situation zu ignorieren. »Trotz der bekannten Berichte über schwere Menschenrechtsverletzungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Gazastreifen« habe der Bundeskanzler es unterlassen, »wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um die Angriffe zu stoppen oder zumindest zu mildern«. Die fortgesetzte Unterstützung, »sei es durch politische Rückendeckung oder durch Genehmigung von Waffenlieferungen«, stelle eine Beihilfe zu diesen Verbrechen dar. Siehe Seite 8
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