Hoch zu Ross
Von René Lau
Es gibt Tage im Leben eines Strafverteidigers, die sind einfach nur unnütz, kostenintensiv, und niemand weiß, wer das später alles bezahlen soll.
Ein Mandant war angeklagt worden, einem Polizeibeamten gegenüber Widerstand geleistet und ihn tätlich angegriffen zu haben. Die Schutzweste soll auch heruntergefallen sein. Ein aufgeregter älterer Beamter, zweifellos; zuvor hatte er einen betrunkenen, das Fahrrad schiebenden Mann mit Reizgas besprüht. Mein Mandant beobachtete die Aktion aus 50 Meter Entfernung, ging hin, es kam zur Diskussion. Mein Mandant war dann auch einzige, der ohne zu zögern seinen Ausweis zeigte – schon waren seine Personalien in der Akte. Und er galt obendrein als Angreifer des Beamten. Schnell war die Anklage da, vor den Toren Berlins wurde verhandelt. Vor dem Gerichtstermin hatte der Beamte noch einen Antrag auf Schmerzensgeld gestellt, nach gerichtlichen Hinweisen nahm er ihn aber schnell wieder zurück. Den Termin wollte er am liebsten verlegen lassen – er sei schließlich im Urlaub. Der Richter verhandelte ohne ihn. Auch ein Kollege unseres Beamten fand es unnötig, zum Termin zu erscheinen, und fehlte unentschuldigt.
Ich gab für meinen Mandanten eine Erklärung ab und regte an, das Verfahren einzustellen. Der Richter wollte das auch, der Staatsanwalt nicht. Immerhin gehe es hier um Polizeibeamte, da werde nicht eingestellt. Auf meine Frage, ob der Staatsanwalt ein Ordnungsgeld gegen den unentschuldigt fehlenden Beamten beantragen werde, gab es betretenes Schweigen. Das Ende vom Lied: Das Verfahren wurde der fehlenden Beamten wegen ausgesetzt, irgendwann im Herbst geht es weiter. Kosten über Kosten. Stellen wir uns vor, Fußballfans wären nicht vor Gericht erschienen – selbstverständlich hätte die Staatsanwaltschaft Ordnungsgelder beantragt, vielleicht sogar die Vorführung des Fans zum nächsten Termin.
Wann hört die bevorzugte Behandlung von Polizeibeamten auf? Zwar sind sie Berufszeugen, deshalb aber nicht glaubwürdiger als andere. Polizeibeamte müssen spüren, dass sie mit der Justiz nicht machen können, was sie wollen. Polizeibeamte müssen endlich von ihrem hohen Ross heruntergeholt werden, Richter und Staatsanwälte ihre Samthandschuhe ablegen. Der Rechtsstaat darf sich von niemandem vorführen lassen.
»Sport frei!« vom Fananwalt.
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