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Aus: Ausgabe vom 22.07.2025, Seite 1 / Titel
Gemeingut und Daseinsvorsorge

Leere Kästen, volle Kassen

Beschwerden bei Brief- und Paketzustellung auf Rekordniveau. Bosse vernichten Tausende Jobs – trotz Umsatzplus. Linke fordert Post in öffentlicher Hand
Von Oliver Rast
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Warten auf Einschreiben: Sendungsverfolgung? Oft ungenau. Benachrichtigungen? Häufig kryptisch (Berlin, 14.1.2023)

Ja, ja, die Post. Sie trotzt dem digitalen Zeitalter. Und das ist auch gut so. Karten, Briefe, Päckchen, Pakete – viele schreiben, viele verschicken, viele empfangen. Weiterhin.

Der Ärger dabei: Sendungen irren umher, kommen verspätet an oder gar nicht. Dann beginnt das Suchspiel, ist detektivisches Nachforschen gefragt. Mal erfolgreich, mal nicht. Denn die Sendungsverfolgung ist oft ungenau, Benachrichtigungen häufig kryptisch.

Die Klagen beispielsweise der Briefversender und Briefempfänger werden lauter. Im ersten Halbjahr 2025 gingen bei der Bundesnetzagentur fast 23.000 Beschwerden ein, berichtete dpa am Montag. Ein Anstieg um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Damals war der bisherige Halbjahreshöchstwert erreicht worden. 89 Prozent der Beanstandungen richten sich gegen die Deutsche Post AG (DP AG) bzw. DHL, die »Marktführer«.

Wie reagiert die Post? Unaufgeregt. Richtig sei, jede Beschwerde sei eine zu viel, so ein Sprecher am Montag gegenüber dpa. Das frühere Staatsunternehmen arbeite »täglich an Qualitätsverbesserungen.« Zu beachten sei aber, dass der Anteil der Beschwerden im Verhältnis zu den Milliarden an zugestellten Sendungen gering sei. Der Bonner Konzern stellte im vergangenen Jahr in Deutschland 12,2 Milliarden Briefe und 1,8 Milliarden Pakete zu.

Ein Grund für die verzögerte Briefzustellung: Die Novelle des Postgesetzes mit Beginn des Jahres. Zusteller haben weniger Zeitdruck, zugleich aber auch größere Zustellbezirke. Mussten früher die allermeisten Briefe schon nach ein bis zwei Werktagen angekommen sein, müssen sie mittlerweile erst am dritten Werktag zugestellt worden sein. Also, die durchschnittliche Wartezeit auf Briefe erhöht sich.

Ein Verursacher der »Postgesetzreform« heißt Sebastian Roloff. Der SPD-Bundestagsabgeordnete beschwichtigt auf dpa-Anfrage: Die neuen Regeln bei der Postzustellung müssten sich erst einspielen, »allerdings hat die Post durch den Gesetzgeber mehr Spielraum und Flexibilität bekommen, was sich eigentlich in mehr Zuverlässigkeit auswirken sollte«. Ja, eigentlich.

Die Postprobleme sind hausgemacht. Die Vorstandsbosse wollen bis Jahresende 8.000 Jobs im Brief- und Paketgeschäft vernichten. Eine Ansage von Anfang März. Nur zwei Tage nach einem neuen Tarifabschluss mit Verdi für rund 170.000 Briefträger, Paketboten und andere Logistikbeschäftigte. Schlimmer noch, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates der DP AG, Thomas Held, befürchtet einen »Wegfall« von Tausenden weiteren Arbeitsplätzen.

Fakt ist, der Personalmangel ist eines der Hauptprobleme. Weil: Zusteller bei Briefen und Paketen fehlen vielerorts. In Großstädten wie Berlin oder Hamburg besonders akut. Zudem häufen Kollegen immer mehr Überstunden an. Neu- und Quereinsteiger? Gibt es nur wenige. Der Job ist hart, die Bezahlung bleibt mau. Dabei macht die Branche Kasse. Der Konzernumsatz der DHL Group lag im Geschäftsjahr 2024 mit 84,2 Milliarden Euro um drei Prozent über dem Vorjahreswert.

Das weiß auch Sören Pellmann. Während der zu zirka 80 Prozent privatisierte Konzern Milliardengewinne einfährt, würde der Service »massiv eingeschränkt«, kritisierte der Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Die Linke am Montag im jW-Gespräch. Dieser Raubbau an einem Gemeingut der öffentlichen Daseinsvorsorge beeinträchtige das Funktionieren der Gesellschaft. Deshalb – Pellmann: »Die Post gehört vollständig zurück in die öffentliche Hand!«

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