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Aus: Ausgabe vom 17.07.2025, Seite 1 / Titel
Frankreich

Kanonen ohne Butter

Der französische Premier Bayrou kündigt Einschnitte in den Sozialstaat an, sein Präsident Macron verspricht erhöhte Aufrüstung
Von Bernard Schmid, Paris
Prioritäten setzen. Emmanuel Macron mit Militärs am Nationalfeiertag in Paris (14.7.2025)
Streichkonzert geplant: Frankreichs Premier Bayrou stellt Haushaltsentwurf vor (Paris, 15.7.2025)
Widerstand formiert sich: Künstlergewerkschaft beteiligt sich auch an Protesten gegen das Kürzungsprogramm (Avignon, 16.7.2025)

Am Montag sprach Frankreichs Präsident. Emmanuel Macron verkündete eine gewaltige Erhöhung der Rüstungsausgaben für die kommenden Jahre. Und noch bevor diese Aufrüstung offiziell beschlossen werden konnte, fuhr am folgenden Tag auch sein Premierminister schwere Geschütze auf.

Am Dienstag abend hielt François Bayrou eine Pressekonferenz ab. Sie stand unter dem offiziellen Titel »Der Moment der Wahrheit« – so prangte es auf dem Rednerpult. Der Premier kündigte die seit längerem erwarteten Kürzungen für den im kommenden Herbst zu verabschiedenden Haushalt 2026 an – außer natürlich im Rüstungsetat: Dort sollen die Ausgaben von 50,5 Milliarden Euro 2025 auf 67,4 Milliarden im Jahr 2030 steigen.

Offizieller Beweggrund für die erheblichen Austeritätsmaßnahmen ist Frankreichs hohe Staatsverschuldung. Am Ende des ersten Quartals 2025 erreichte sie 114 Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder 3.345,8 Milliarden Euro. Im vorigen Jahr wurden allerdings die Steuern für Unternehmen und Vermögende um 73 Milliarden Euro gesenkt und von der öffentlichen Hand 211 Milliarden Euro an Unternehmenssubventionen ausgeschüttet, vorgeblich zugunsten der Beschäftigung.

Bayrou will an anderer Stelle kürzen. Zwar versicherte er, »alle« müssten sich »an der Anstrengung beteiligen«, auch Großvermögen seien demnach heranzuziehen, doch eine weitere Präzisierung blieb er schuldig. Ansetzen will der Premier das Messer anderswo. Tiefe Einschnitte stehen an. Zwei gesetzliche Feiertage sollen ersatzlos verschwinden, der Ostermontag und der 8. Mai, der in Frankreich seit Jahrzehnten in Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs und an die Befreiung vom Faschismus arbeitsfrei ist. »Jetzt, wo die extreme Rechte an der Schwelle zur Macht steht, den 8. Mai als Feiertag abzuschaffen, ist besonders gravierend«, kommentierte Sophie Binet, Generalsekretärin der Gewerkschaft CGT.

Die Rechte der Erwerbslosen werden weiter beschnitten beziehungsweise sollen in den kommenden sechs Monaten von Regierung und »Sozialpartnern« weiter nach unten verhandelt werden. Bereits seit 2019 war die Höchstbezugsdauer für Arbeitslosengeld in mehreren Etappen von zuvor 24 auf je nach Konjunktur 15 bis 18 Monate herabgedrückt worden. Jetzt sollen 3.000 Stellen im öffentlichen Dienst sofort gestrichen, darüber hinaus soll jeder dritte altersbedingte Abgang dort künftig nicht ersetzt werden. Aus der Krankenversicherung sollen fünf Milliarden Euro herausgepresst werden, etwa durch die Aussetzung der Vollerstattung von Medikamenten bei Langzeiterkrankten nach einer gewissen Bezugsdauer.

Weitere 5,3 Milliarden Euro Einsparungen will der Zentralstaat nach den Plänen Bayrous bei den Gebietskörperschaften (Kommunen, Départements) erzwingen, aus deren Kassen der Staat im kommenden wie schon in diesem Jahr eine Milliarde Euro herausgreifen will. Bereits jetzt stöhnen die Kommunen und Bezirke über die herrschende Belastung, nachdem der Staat die Sozialhilfekosten im vorigen Jahrzehnt auf die Départements abgewälzt hatte.

Mehrere Gewerkschaftsverbände, darunter die linkere CGT, die sozialdemokratische CFDT und die christliche CFTC, waren zu Bayrous Kürzungsverkündung geladen worden, hatten sie jedoch in Erwartung des Kommenden boykottiert. Die CGT kündigte am Mittwoch bereits Protestmobilisierungen für die rentrée, die Wochen nach der Sommerpause, an. Unternehmerverbände begrüßten hingegen die Austeritätspläne des Premiers.

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