Berufsverbotsbetroffene warnen vor Neuauflage des »Radikalenerlasses«

Der Bundesarbeitsausschuss der Initiativen gegen Berufsverbote und für die Verteidigung demokratischer Grundrechte warnte am Montag vor einer Rückkehr des »Radikalenerlasses«:
Bundesweit gingen letzte Woche Schlagzeilen durch die Medien, in Rheinland-Pfalz würde AfD-Mitgliedern ab sofort der Weg in den öffentlichen Dienst versperrt. Dies ist allerdings nicht einmal die halbe Wahrheit; in Wirklichkeit wird Schritt für Schritt an der Wiederauflage des Radikalenerlasses von 1972 gearbeitet, der schon damals zu 95 Prozent gegen Linke angewendet wurde.
Selbstverständlich wissen Schreibtischtäter, dass Berufsverbote wegen bloßer Mitgliedschaft in einer Organisation eine eklatante Verletzung der Grundrechte darstellen. Bislang ist dies von sämtlichen Gerichten der BRD durch alle Instanzen wiederholt bestätigt worden. Darüber hinaus verstößt es gegen die Normen der ILO, und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Praxis für rechtswidrig erklärt. Aber offensichtlich gilt für Regierungshandeln mittlerweile der alte »Spontispruch«: legal, illegal, scheißegal.
Dazu Werner Siebler, in den 1980er Jahren vom Berufsverbot betroffener Briefträger: »Wer jetzt ernsthaft denkt, mit dem endgültigen Schleifen aller rechtsstaatlichen Standards sollen in erster Linie Neonazis aus dem öffentlichen Dienst ferngehalten werden, hat eine Überdosis von sehr schlechtem Wein getrunken, die zu irreparablen Schäden führen dürfte.«
Schon vom Wortlaut her richtet sich die Berufsverbots- bzw. Organisationsliste des rheinland-pfälzischen Innenministeriums nicht nur gegen Rechte, sondern gegen »Extremisten«. Mitglieder folgender Organisationen dürfen laut Liste ebenfalls nicht mehr in den Staatsdienst:
»Freie Arbeiterinnen- und Arbeiterunion, Deutsche Kommunistische Partei, Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend, Internationale Sozialistische Organisation, Interventionistische Linke, Kommunistische Partei Deutschlands, Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands, Perspektive Kommunismus, Revolution, Gruppe ArbeiterInnenmacht, Rote Hilfe, Sozialistische Alternative Voran, Sozialistische Organisation Solidarität, Jugend für Sozialismus, Marx 21, Die plattform, Ums Ganze! – kommunistisches Bündnis.«
Die ehemaligen von Berufsverboten Betroffenen kritisieren besonders die Tatsache, dass erneut der sogenannte Verfassungsschutz wieder bestimmt, wer als »Verfassungsfeind« zu gelten habe. (…)
In Brandenburg ist seit Herbst 2024 als erstem Bundesland ein sogenannter Verfassungstreuecheck (…) in Kraft. (…) In Bayern, wo der Fragenkatalog zu »extremistischen« Organisationen schon lange gilt, zeigen die Fälle Benjamin Ruß, Lisa Pöttinger und andere, gegen wen die Hetzjagd tatsächlich geht, gegen Linke. (…) In Hamburg steht laut GEW die Wiedereinführung der Regelanfrage bevor. In Niedersachsen kündigte die SPD-Innenministerin, ähnlich Rheinland-Pfalz, ebenfalls an, »schon im Einstellungsverfahren einen Fragebogen zu Mitgliedschaften und Unterstützungen für extremistische und extremistisch beeinflusste Organisationen einzuführen«. Bremen schließt sich dem an. Hessen strebt dies »länderübergreifend« in einem »abgestimmten Vorgehen der Länder« an. (…)
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.