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Aus: Ausgabe vom 15.07.2025, Seite 15 / Natur & Wissenschaft
Waldbrände

Nach dem Inferno

Der Kampf gegen die Flammen endet nicht bei der Feuerwehr. Waldbrände und die Folgen
Von David Goeßmann
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Was muss man beim Aufbau beachten? Zerstörungen nach den jüngsten Bränden um Marseille (9.7.2025)

Rund um die südfranzösische Stadt Marseille und in Nordspanien wüteten in den vergangenen Tagen erneut heftige, außer Kontrolle geratene Waldbrände. Solche Feuerinfernos sind längst zur neuen Normalität geworden. Das Jahr 2025 hatte bereits mit schockierenden Feuerwalzen rund um Los Angeles im US-Bundesstaat Kalifornien begonnen. 1.400 Feuerwehrleute waren bei den Bränden im Januar im Dauereinsatz, 130.000 Menschen mussten aus ihren Häusern evakuiert werden, unzählige Gebäude wurden zerstört. Der Himmel färbte sich in Weltuntergangsfarben, und die Feuer hinterließen eine geschwärzte Mondlandschaft.

Es ist die immer gleiche Konstellation, die zu den Megabränden führt: Dürren, extreme Hitze und starke, trockene Winde. Sie machen ganze Landstriche zu gefährlichen Glutöfen. Es sind diese Bedingungen, die durch die voranschreitende globale Erderhitzung immer häufiger und in immer extremerer Form überall auf der Welt anzutreffen sind.

Gravierende Naturschäden

Daten zeigen uns bereits einen starken Anstieg von Waldbränden und den damit verbundenen Verlust an Wäldern in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Im Vergleich zu Anfang des Jahrhunderts geht heute mindestens die doppelte Fläche, rund zwölf Millionen Hektar, jährlich verloren. Tendenz steigend. Im vergangenen Jahr waren es die enormen Waldbrände in Südamerika, im Jahr zuvor sahen wir die beispiellosen Verwüstungen der Buschbrände in Australien und die Rekordbrände in Kanada, deren Rauchschwaden die US-Ostküste bis New York City und noch weiter in gespenstisches Orange hüllten.

Auch in Europa sind Rekordwaldbrände, vor allem im Mittelmeerraum wie in Griechenland, immer wieder zu beobachten. In Deutschland ist insbesondere das Bundesland Brandenburg wegen der sandigen Böden, der Trockenheit und der leicht entflammbaren Kiefernwälder betroffen. Anfang Juli kämpften erneut Hunderte Einsatzkräfte im Grenzgebiet zwischen Sachsen und Brandenburg gegen Feuerherde. In den vergangenen Jahren gingen die Brandfallzahlen immer wieder steil nach oben. 2018 wurden bei Hunderten von Bränden allein in Brandenburg knapp 1.700 Hektar Wald von Flammen vernichtet, 2022 waren es gut 1.400 Hektar. Das entspricht ungefähr der Fläche von 3.000 Fußballfeldern.

Die Folgen davon sind weitreichend. Vegetation geht verloren, Tiere verlieren ihren Lebensraum, Humusschichten verbrennen, und die Böden werden anfällig für Erosion und trocknen aus – ganz zu schweigen von den Treibhausgasen, die durch Brände freigesetzt werden und die Klimakrise zusätzlich befeuern. Aufgrund der Schäden wächst auch in Deutschland immer mehr das Bewusstsein, dass »nach den Waldbränden vor den Waldbränden ist«. Dabei zeichnet sich ein Umdenken ab. Das betrifft sowohl die Wiederaufforstungen als auch die Präventionsmaßnahmen.

Resistentere Wälder

Einig ist man sich heute, dass Monokulturen vor allem von leicht entflammbarem Bewuchs keine Zukunft mehr haben. Es braucht Mischwälder mit einem großen Anteil feuerresistenterer, mehr Wasser speichernder und schattenspendender Laubbäume wie Buchen oder Eichen. Darauf sollte bei der Aufforstung der abgebrannten Flächen geachtet werden.

Doch über das »Wie« gehen die Meinungen auseinander. Bisher setzt man meist auf Kahlschlag und Neupflanzungen, beispielsweise nach dem Brand im brandenburgischen Treuenbrietzen 2018. Die Ökologin Antje Bischoff, leitend tätig beim Forschungsprojekt »Pyrophob«, votiert jedoch für einen anderen Weg. Die verkohlten Bäume sollten stehen gelassen, Flächen gemulcht und es sollte mit eigenem Saatgut gearbeitet werden, um resistentere, naturnähere Wälder entstehen zu lassen, die den Flammen besser trotzen könnten.

Insgesamt wird von den Forschern heute empfohlen, nach einem Brand die Bodenbearbeitung zu meiden und das Totholz nicht radikal zu entfernen. Denn das speichere Feuchtigkeit, bremse den Wind und spende Schatten. So könnten sich zudem stabilere Vorwälder aus Pionierpflanzen wie Pappeln und Birken ansiedeln. Schließlich sollte einige Jahre beobachtet werden, was an Pflanzen und Bäumen nachkommt. Denn damit könnten die Widerstandsfähigkeit der Wälder und die Biodiversität gestärkt werden.

Um das Risiko von Megabränden zu minimieren und die Bekämpfung von Feuern zu verbessern, werden verschiedene vorbeugende Maßnahmen empfohlen und auch schon umgesetzt. Ein Element dabei ist das Anlegen von sogenannten Wundstreifen. Das sind Schneisen bzw. Brandschutzstreifen, die mehrere Meter parallel zu Landstraßen verlaufen. Sie sollen verhindern, dass Brände sich weiter ausbreiten. Dazu kommen größere Schutzstreifen, aus denen Unterholz entfernt wird. Diese Korridore, die Feuer abbremsen sollen, bieten zudem Zufahrtswege für die Feuerwehr. Einige Gemeinden planen außerdem, Pufferzonen um den Wald einzurichten, sogenannte Waldweiden, auf denen zum Beispiel Schafe weiden können und die die Ortschaften vor den Flammen schützen sollen.

Grenzen der Prävention

Es gibt eine ganze Reihe von Instrumenten, um Waldbrände besser in den Griff zu bekommen. Dazu gehören das Waldmonitoring, also der Einsatz von Drohnen, Satelliten oder Kameras zur Früherkennung von Bränden (in der Waldbrandzentrale im brandenburgischen Wünsdorf werden zum Beispiel Daten von 100 Kameras ausgewertet); die Wiedervernässung von Mooren; Aufklärungskampagnen und Feuerverbote, denn der größte Teil der Feuer geht auf menschliches Verhalten zurück; eine verbesserte Ausstattung der Feuerwehr usw. Vor allem aber müssten die Klimakrise und die Erderhitzung so schnell wie möglich gestoppt werden, um den Treiber katastrophischer Waldbrände einzudämmen.

Denn die Prävention und Adaption an Brände haben ihre Grenzen, wie sich längst in den USA, insbesondere im Waldbrandhotspot Kalifornien, zeigt. Dort hat man seit vielen Jahren diverse Maßnahmen ergriffen, die Feuerwehr mit einem ständig wachsenden Milliardenbudget aufgerüstet und Siedlungen gegen Feuer resilienter gemacht. Doch das hat die Vernichtungskraft der Flammen kaum eindämmen können – und aufgrund des voranschreitenden Klimawandels werden die Verheerungen in der Zukunft weiter zunehmen.

Es wird daher eine radikalere, ganzheitliche Herangehensweise gefordert. Denn nur auf die akute Bekämpfung der Brände zu setzen, reiche nicht aus. In diesem Sinn haben sich Bewohnerinnen und Bewohner feuergefährdeter Orte in den vergangenen Jahren zusammengetan, um mit kontrollierten Bränden um ihre Gemeinden herum aktive Präventionsarbeit zu leisten. Damit soll im Brandfall der Glut die Nahrung entzogen werden, während sich dadurch gleichzeitig die Prärie und die Waldlandschaften, die sich über Tausende von Jahren an Brände angepasst haben, erneuern können. Studien zeigen, dass das die katastrophalen Feuerverheerungen tatsächlich deutlich minimieren kann.

So verweisen etwa US-Waldbrandexperten darauf, dass sich das Ökosystem parallel zu von Menschen eingesetzten Bränden entwickelte und vorbeugend wirkte. Doch die indigene Praxis, Feuer bewusst zur Bewirtschaftung der Natur einzusetzen, sowie Zufallsbrände wurden seit dem 19. Jahrhundert zurückgedrängt. Das führte dazu, dass immer mehr Brennstoff in der Landschaft angehäuft wurde, der die Brände verheerender gemacht habe. Es sei daher »an der Zeit, alles zu überdenken, was wir über die Brandbekämpfung wissen«, betont Lazo Titchos, ein erfahrener Waldbrandbekämpfer, der über neue Landbewirtschaftungsformen im Zuge der Megabrände forscht.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Paris (14. Juli 2025 um 21:47 Uhr)
    Im Artikel wird nicht erwähnt, dass in einigen Regionen und Ländern Waldbrände bewusst geschürt wurden, um danach die verwüstete Fläche zu billigen Preisen zu kaufen, um touristische Anlagen zu bauen (z. B. Korsika, Sardinien, Griechenland), oder um massenhaft Monokulturen wie Eukalyptusbäume für die Förderung/Ausbeutung der Holzindustrie zu pflanzen (z. B. Galizien/Galiza und Portugal).

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