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Aus: Ausgabe vom 14.07.2025, Seite 16 / Sport
Tennis

Schnelle Entscheidung

Iga Świątek gewinnt mit verdächtig hartem Aufschlagspiel das Wimbledon-Finale
Von Andreas Hahn
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Im Schnitt 179 Kilometer pro Stunde schnell: Iga Świątek schlägt zu

In Wimbledon hatte es das seit 1911 nicht mehr gegeben. Ein Frauenfinale mit dem hochdramatischen Endstand von 6:0, 6:0. Zu jener Zeit war Tennis im All England Lawn Tennis and Croquet Club noch nicht viel mehr als ein aristokratischer Zeitvertreib. Was sich dann innerhalb nur eines Jahrzehnts drastisch ändern sollte.

In der sogenannten Open Era (die Zeit nach der Zulassung von Profis bei den Majors 1968) jedoch hat es ein 6:0, 6:0 im Finale eines Majors bisher nur einmal gegeben: Im Finale der French Open 1988 schlug Steffi Graf die bemitleidenswerte Natallja Swerawa 6:0, 6:0 in lediglich 32 Minuten. Grafs Sieg war eine Manifestation der Dominanz eines Champions in der wohl besten Saison ihres Lebens (Grand Slam plus olympisches Gold).

Am Sonnabend also schlug die an acht gesetzte Iga Świątek die Nummer 13 der Setzliste Amanda Anisimova in 57 Minuten 6:0, 6:0. Für beide war es das erste Wimbledon-Endspiel. Für Świątek war es allerdings bereits das sechste Majorfinale. Ihre Bilanz makellos 6:0 (zuvor French Open 2020, 2022–2024, US Open 2022).

Beide hatten im Vorfeld jeweils ein Rasenfinale verloren, Świątek beim WTA 500 in Bad Homburg gegen Jessica Pegula, die, in Wimbledon an drei gesetzt, dann schon in der ersten Runde ausschied. Anisimova gegen die 37jährige Veteranin Tatjana Maria beim WTA 500 im Londoner Queen’s Club. Ein weiteres Zahlenspielchen: Anisimova gewann dieses Jahr ihre erste Runde in Wimbledon gegen eine sichtlich indisponierte Julija Putinzewa ebenfalls 6:0, 6:0; dieselbe Putinzewa, die gegen Świątek letztes Jahr in der dritten Runde gewonnen hatte. Einen 6:0-Satz hatte Świątek bereits im Halbfinale gegen Belinda Bencic abgeliefert (6:2, 6:0).

Im Finale am Sonnabend galt sie dennoch nicht als klare Favoritin. Hatte Anisimova nicht im Halbfinale mit schnellem, direktem Spiel die amtierende Nummer eins Aryna Sabalenka besiegt? Aber bereits da lagen die Nerven blank. Sabalenka wirkte in dem Turnier zu keinem Zeitpunkt souverän, lieferte in ihrem Viertelfinale gegen Laura Siegemund sogar puren Slapstick ab (ein groteskes Match auf grotesk stumpfem Rasen). Zudem spielt Anisimova gern gegen Sabalenka (Matchbilanz nunmehr 6:3 für die 23jährige aus New Jersey).

Warnzeichen hätten schon die fünf Satzbälle sein können, die Anisimova nach zwei vergebenen Matchbällen im Viertelfinale gegen Anastassija Pawljutschenkowa hatte abwehren müssen. Und pausierte die übertalentierte Anisimova nicht bereits 2023 wegen Burnout und Depression vom Profitennis? Das smarte Geld hätte immer auf Świątek und ihr brutalistisches Roboter­tennis gesetzt, zumal die Hitzewelle in London die ohnehin schon stumpfen und langsamen Rasenplätze noch sandplatzähnlicher gemacht hatte (die Bälle sprangen teilweise schulterhoch ab). Da war es auch gleichgültig, dass Świątek seit über einem Jahr keinen Titel mehr hatte gewinnen können, erst recht nicht seit ihrer nur lächerlich kurzen Dopingsperre vom Ende des vorigen Jahres. Das Wimbledon-Finale der Frauen 2025 war im Grunde nach Anisimovas umkämpften zweiten Aufschlagspiel im ersten Satz (sie führte scheinbar sicher 40:15 und verlor es dennoch) entschieden. Świątek musste nicht einmal übermäßig gut spielen.

Die Statistiken sind überdeutlich: Anisimova beging in dem kurzen Match 28 unerzwungene Fehler bei acht Gewinnschlägen. Świątek schlug zehn Winner und machte elf unerzwungene Fehler. Sie musste lediglich ihren Siefel durchziehen und hart aufschlagen. Was sie auch tat, am Ende gegen 194 Kilometer pro Stunde schnell. Das war ein weiterer Grund für Świąteks Dominanz: ihr das gesamte Turnier hindurch plötzlich so stark verbesserter erster Aufschlag. Im Finale im Schnitt (!) 179 Kilometer pro Stunde schnell (Anisimova 164 Kilometer pro Stunde). Was sagt es wohl aus, dass eine noch vor kurzem dopinggesperrte Sandplatzspielerin im Finale im Schnitt 15 Kilometer pro Stunde schneller serviert als ihre Gegnerin und 6:0, 6:0 gewinnt? Wimbledon ist zum grotesken Witz verkommen.

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