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Aus: Ausgabe vom 07.07.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
E-Auto-Konzerne aus China

Preisschlacht der E-Auto-Konzerne

China: Boom sorgt für Unterbietungswettbewerb der Konkurrenten, Parallelen zur großen Immobilienkrise. Präsident Xi greift ein
Von Jörg Kronauer
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Das Einstiegsmodell Seagull des Branchenprimus BYD gibt es bereits für 55.800 Yuan, keine 6.900 Euro

Der Preiskampf dauert an, aber der Druck auf die Produzenten, ihn einzustellen, nimmt zu – so lässt sich die gegenwärtige Lage in der chinesischen Elektroautobranche einschätzen. Die Branche boomt eigentlich. Auch dank Maßnahmen wie einer staatlichen Abwrackprämie oder Zuschüssen von Lokalregierungen satteln immer mehr Chinesen von alten Verbrennern auf E-Autos um. Deren Marktanteil ist bei den Neuzulassungen inzwischen auf mehr als 50 Prozent gestiegen – eine Rate, von der die Produzenten in Deutschland bloß träumen können. Doch der Boom geht mit einer durchaus gefährlichen Entwicklung einher: dem erwähnten Preiskampf.

Worum geht’s? Die Entstehung und das Wachstum der Elektroautobranche haben eine hohe Zahl an Herstellern hervorgebracht. Von mehr als 100 Anbietern ist die Rede, die recht heftig miteinander konkurrieren. Es zeigt sich: Sie produzieren derzeit mehr E-Autos, als im Inland verkauft werden können. In Branchenkreisen war kürzlich von 3,5 Millionen unverkauften Fahrzeugen die Rede, so viel wie zuletzt Ende 2023. Um die Autos irgendwie loszuschlagen und gleichzeitig Konkurrenten aus dem Markt zu drängen, senken Hersteller immer wieder die Preise, und zwar recht extrem, zum Teil weit unter die Produktionskosten. Zuletzt tat das der Branchenprimus BYD, der am 23. Mai die Preise für 22 Modelle um bis zu 35 Prozent reduzierte. Das Einstiegsmodell Seagull gab es nun bereits für 55.800 Yuan, keine 6.900 Euro. Einige Produzenten greifen, um extrem niedrige Preise zu legitimieren, auch zu Tricks. So lassen sie Neuwagen für eine kurze Zeit zu und verkaufen sie dann als Gebrauchtwagen. Das Phänomen hat sogar einen eigenen Namen: »Null-Kilometer-Fahrzeuge«.

Nun könnte man argumentieren, es handle sich um ein normales Pro­blem auf einem noch jungen Markt, das sich mit dem baldigen Bankrott oder Zusammenschlüssen einer gewissen Zahl an Herstellern lösen werde. Genau das aber geschieht bislang nicht. Auch der Anfang April bekanntgewordene Versuch, die staatlichen Kfz-Konzerne Dongfeng und Changan zusammenzuschließen, um die Branche zu konsolidieren, ist gescheitert. Immer deutlicher zeichnen sich Risiken und schädliche Nebenwirkungen ab. Zu letzteren gehört, dass die in China ohnehin verbreitete Masche, Zulieferer nur mit größerer Verspätung zu bezahlen, um die eigenen Finanzen zu strecken, überhand zu nehmen beginnt. Es kommt hinzu, so zitierte das Handelsblatt vor kurzem den Vorsitzenden von Great Wall Motors, Wei Jianjun, dass »viele Autobauer an allen Ecken und Enden« sparen, und dies »sogar bei der Fahrzeugsicherheit, der Lebensdauer und der Zuverlässigkeit der Fahrzeuge«. Wei meint inzwischen sogar Parallelen zur großen Immobilienkrise zu sehen und warnte kürzlich vor einem »Evergrande« der Kfz-Branche. Der Bankrott des Konzerns Evergrande stand im Zentrum der Immobilienkrise.

Inzwischen nehmen sich die Kommunistische Partei und Behörden der Sache an. Ende Mai kündigte das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) an, Maßnahmen gegen die exzessiven Preissenkungen einzuleiten. Anfang Juni erging eine explizite Aufforderung an Branchenvertreter, in ihren harten Preiskämpfen zumindest den Produktionspreis nicht zu unterbieten. Am vergangenen Mittwoch wies Qiushi, eine Zeitschrift, die von der Zentralen Parteischule und vom Zentralkomitee herausgegeben wird, darauf hin, dass der knallharte Preiskampf nicht zuletzt die Ansammlung von Kapital für Forschung und Entwicklung verhindert. Dies wiederum drohe die Position chinesischer Konzerne auf dem Weltmarkt zu unterminieren. Qiushi übte zudem harte Kritik an lokalen Behörden, die einerseits die aus dem Preiskampf entstehenden Probleme ignorierten, andererseits allzu freigiebig um die Ansiedlung von Elektroautoherstellern werben würden. Beides erweise sich als riskant.

Am vergangenen Dienstag hat sich nun Präsident Xi Jinping persönlich in die Debatte eingeschaltet, und das mit ungewöhnlich deutlichen Worten. Die Volksrepublik müsse »den ungeordneten Niedrigpreiswettbewerb von Unternehmen regulieren, Firmen anleiten, die Produktqualität zu verbessern, und für die geordnete Stillegung überholter Produktionskapazitäten eintreten«, forderte Xi auf einer Sitzung der Zentralen Kommission für Finanz- und Wirtschaftsangelegenheiten. In Berichten wurden bereits Vergleiche mit dem Einschreiten der Behörden gegen die großen chinesischen Techkonzerne gezogen, das im Jahr 2020 begann und die Kontrolle der Regierung über das ungezügelte Marktgeschehen stärkte. Zeit dafür wäre es wohl: Preiskämpfe erschüttern längst nicht mehr nur die Elektroautobranche, sondern auch andere Sektoren wie Lieferdienste und Nachhilfeunternehmen.

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