Abschiedsszenen. Die erste Runde in Wimbledon
Von Andreas Hahn
Schon die erste Runde in Wimbledon hat einiges an Aufregung geboten. In der Fortsetzung des bei Satzgleichstand am Montag abend abgebrochenen Matches zwischen Arthur Rinderknech und dem an drei gesetzten Alexander Zverev setzte sich überraschend der Franzose durch: 7:6, 6:7, 6:3, 6:7, 6:4 nach vier Stunden und vierzig Minuten. Rinderknech war zweifellos der variablere und risikobereitere Spieler. Die Patrioten von L’Equipe feierten Rinderknech mit der majestätischen Überschrift »King Arthur«.
Auch die Damenkonkurrenz hatte ihre frühen Sensationen. Am Dienstag verloren gleich beide topgesetzten Spielerinnen der unteren Hälfte des Tableaus. Die an drei gesetzte Jessica Pegula sah gegen die 116 der Weltrangliste Elisabetta Cocciaretto 2:6, 3:6 keine Sonne. Am Abend erwischte es die an zwei gesetzte aktuelle French-Open-Siegerin Cori Gauff gegen die Ukrainerin Dajana Jastremska 6:7 (3:7), 1:6. Ein paar Stunden vorher hatte es auf demselben Platz, dem Court 1, schon Tränen gegeben. Martina Navratilova kommentierte das Abschiedsspiel ihrer tschechischen Landsfrau Petra Kvitová gegen die an zehn gesetzte Emma Navarro live für das US-amerikanische Fernsehen und weinte, als es kurz nach dem Match tatsächlich zu einer kurzen Abschiedszermonie kam. Die Siegerin von 2011 und 2014 hatte schon vor Turnierbeginn ihren Rücktritt von der aktiven Tenniskarriere bekanntgegeben. Ihr letztes Turnier sollen die diesjährigen US-Open sein. Die erste Runde in Wimbledon war also ihr voraussichtlich letztes Rasenmatch.
Ihren letzten Turniererfolg erzielte sie ebenfalls auf Rasen, 2023 in Berlin, ohne Satzverlust, und ich stand ziemlich in der Nähe, als sie mit der Trophäe im Arm dem Drängen der versammelten Berliner Boulevardpresse, in den algenverseuchten Hundekehlesee zu springen, erfolgreich widerstand. Damals war von Abschied noch nicht die Rede, aber der Rest ihrer Saison 2023 war nicht übermäßig erfolgreich. In Wimbledon ging sie im Achtelfinale gegen die spätere Finalistin Ons Jabeur 0:6, 3:6 unter. 2024 machte sie eine Babypause. Im Frühjahr dieses Jahres kehrte sie beim WTA 250 in Austin, Texas überraschend auf die Tour zurück. Seitdem hat sie ein einziges Match gewonnen, die erste Runde auf Sand in Rom. Als aktuelle Nummer 572 der Weltrangliste kam die mittlerweile 35jährige mit einer Wildcard ins Klassement. Doch seit ihrem Sieg im Finale 2011 gegen Marija Scharapowa hat die wohl beste Rasenspielerin ihrer Generation in Wimbledon tatsächlich keine Top-ten-Spielerin mehr besiegt. Damals war sie die erste in den 1990ern geborene Spielerin, die ein Major gewann. Aber seit ihrem Sieg 2014 kam sie in Wimbledon nie mehr über das Achtelfinale hinaus, gewann aber noch vier Rasentitel (Birmingham 2017 und 2018, Eastbourne 2022, Berlin 2023). Das Erstrundenmatch gegen Navarro begann sie, als wäre es wieder 2014. Sie führte 2:0 und nach drei Returnwinnern in Folge bei Aufschlag Navarro 40:0. Dann gingen ihr, es waren gerade mal zehn Minuten gespielt, Konzentration und Puste aus. Sie verlor 3:6, 1:6.
Ihr wohl letztes Rasenmatch beendete Petra Kvitová mit einem Doppelfehler. Aber darum ging es zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr. Alles schien für die Abschiedszeremonie von Beginn an vorbereitet. »Wimbledon bedeutet mir alles«, sagte sie. Später auf der Pressekonferenz wurde sie gefragt, ob sie denn sicher sei, nach den US Open endgültig aufzuhören. »Ganz sicher, haben Sie nicht das Match vorhin gesehen …?« Ihr Humor ist ein sehr trockener geblieben.
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