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Aus: Ausgabe vom 02.07.2025, Seite 8 / Ansichten

Spengler des Tages: Peter David Sloterprecht

Von Felix Bartels
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Sloterprecht (Selfie)

Und wieder mal geht das Abendland unter. Denn Peter David Sloterprecht, lange Zeit Deutschlands beliebtester TV-Philosoph, ehe sein 70 Jahre jüngerer Stiefzwilling Richard Peter Daviddijk ihm den Rang ablief, ist ein anatomisches Wunder. Er besteht zu 100 Prozent aus gehobenem Zeigefinger. Nie will die verdammte Menschheit, wie er wohl will. Da darf Ilsebill ruhig mal nachsalzen, denkt sich der Günter Grass der Denker.

Aber auf griechisch, denn der Pöbel, zu dem man nicht ohne Peitsche geht, sollte nach Möglichkeit keinen Blick in die Karten erhalten. Sloterprecht sagt »Thymos«, wenn er autoritäre Rebellion meint, Lügenpresse heißt bei ihm »Lügenäther«. 2016 warnte er, etwas klarer im Ausdruck, dass wir von Migranten überrollt werden. 2013 hat er den Massenkonsum von tierischem Fleisch vor dem Holocaust als »eigentliches Hauptereignis« der Epoche bezeichnet. Weniger Fleisch essen ist sicher erstrebenswert, doch zu viele Pilze sind offensichtlich auch nicht gut.

Nun hat der zyklisch Eskalierende laut dpa ein neues Objekt ausgelotet. »In den Schulen sind Zustände herangereift, mit denen wir nicht glücklich sein können. Handys müssten unter das Drogenverbot fallen, dann erübrigt sich die Debatte.« Ein messerscharfer Basta-Syllogismus: Handys sind ein Problem, Drogen sind verboten, Handys sind Drogen. Und klappen wird das gewiss auch bei einer Bevölkerung, die bei jeglicher Einschränkung ihrer Bequemlichkeit, welchen Grades immer, sogleich den Verlust ihrer Grundrechte sieht. Um Fragen der praktischen Umsetzung muss einer wie Sloterprecht sich nicht kümmern, der Mann wird schließlich fürs Denken bezahlt.

Über Handys weiß er noch, dass sie »das Hirn schädigen« und »Persönlichkeitsstörungen evozieren«. Was vielleicht sogar stimmt, doch vermutlich auch für seine Bücher gilt.

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  • Leserbrief von Manfred Pohlmann aus Hamburg (7. Juli 2025 um 15:47 Uhr)
    Warum sollte nicht auch der größte Schwachkopf irgendwann einmal einen richtigen Gedanken fassen können, nach dem berühmten blinden Huhn, das auch mal ein Korn findet? Ansonsten sollte man Mode-»Philosophen« wie die Richard-David-Peter Schlotterdeichs einfach links liegen lassen. Was m. E. sehr viel schwerer wiegt, ist die Tatsache, dass menschliche Intelligenz, wie’s scheint, immer noch zu einem Riesenteil darauf verschwendet wird, die Leute mit höchstem Verstand und mit gezielten Schritten immer weiter in die Irre zu führen. G. Chr. Lichtenberg hat dazu etwas – wie ich finde – sehr Schlaues formuliert: »Wenn man die Menschen lehrt, wie sie denken sollen (Hervorhebung von mir – M.P.) und nicht ewig hin, w a s sie denken sollen: so wird auch dem Missverständnis vorgebeugt.« Nur, was machen wir mit all diesen richtigen Erkenntnissen? Um die weitere Zerstörung der Vernunft aufzuhalten oder wie das Karnickel vor »heranrasenden Autoscheinwerfern nicht zu erstarren« (G. Pauli), sollte wenigstens mit dem Missverständnis aufgeräumt werden, dass mit Hilfe von Algorithmen und KI die Lebensumstände zu verbessern seien. Selbst in linken und fortschrittlichen Zirkeln herrschen ab und zu auch darüber Missverständnisse, die vom Wesentlichen ablenken. Wenn zum Beispiel ein ansonsten kluger Kopf der Meinung ist, dass 8jährige per Smartphone und Spracherkennung Texte-sprechend »auf erstaunlich kluge Gedanken kommen« und räsoniert, dass Smartphones »als Einstiegsdroge« (von Peter Schlotterdeich zufällig mal richtig eingeordnet) doch richtig toll sind. Es geht dann noch weiter, dass obiger Leser der jW meint, auf diese Weise lernten die Kleinen »nicht nur Wörter stammeln, sondern Gedanken formen – mit den Mitteln ihrer Zeit (?)«. Erinnern wir uns, womit sich menschliches Denken aus der Tierwelt erhoben hat und es von den modernsten algorithmischen Maschinen unterscheidet. Unser Denken befähigt uns, ideelle Abbilder der Wirklichkeit zu schaffen, was nicht weniger bedeutet, als Begriffe zu bilden, Ideen und Phantasie auf der Basis von Vernunft für eine lebenswerte Zukunft für alle einzusetzen. »Maschinendenken« (P. V. Kopnin) kann dabei wie alle Digitalisierung höchstens ein Hilfsmittel sein – wenn auch ein sehr praktisches. Die Neurobiologie hat längst herausgefunden, dass sich Phantasie und Innovationskraft nur dadurch herausbilden können, wenn wir zur Verstandeskraft einer logischen Verknüpfung parallel Gefühle entfalten, die jeweils in der Denktätigkeit ein gekoppeltes Netzwerk im Gehirn erzeugen, welches eine Denkmaschine niemals könnte. Kommen wir noch einmal an den Anfang. Hans Heinz Holz hat in einem Essay zu Walter Benjamins Allegorien einmal den Begriff des »prismatischen Denkens« geprägt. Es geht dabei um die Vielzahl der Perspektiven, mit denen der Wanderer um eine Stadt geht oder konkret, welche verschiedenen Bedeutungen ein Ereignis haben kann. Erst durch das Prisma erscheint etwas in seiner Vielfalt. Eine materialistische Weltanschauung ist mehr als jeder Idealismus, der den Weltgeist oder einen Gott als Beweger erkennt. Marxisten sehen den Beweger des Weltgeschehens im internationalen Proletariat u. den Klassenkampf als Prozess, um den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur Schritt für Schritt auf einen sozialistischen Weg zu bringen.
  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (1. Juli 2025 um 21:55 Uhr)
    Ich traue dir ja zu, dass du es ernst meinst, Herr »Sloterprecht« – und genau das macht’s so tragisch komisch. Natürlich haben Handys unsere Welt verändert. Mehr als das Rad, mehr als der Buchdruck, mehr als der deutsche Fernsehphilosoph im Bademantel mit Dauerpfeife. Ohne Handy? Geht heute fast nichts mehr. Und das ist kein kultureller Untergang, das ist schlicht Realität. Aber nun kommt der große Kulturkritiker des Zirkularbarts wieder aus der Deckung und erklärt das Smartphone zur Einstiegsdroge für den Weltuntergang. Was früher der Untergang des Abendlandes war, ist heute ein Achtjähriger mit Spracherkennungssoftware. Mein kleinstes Enkelkind – acht Jahre alt – spricht seine Texte ins Handy und kommt dabei auf erstaunlich kluge Gedanken. Kommunikation: präzise. Ausdruck: sicher. Zugang zur Welt: offen. Ist das nicht, was wir wollen? Dass unsere Kinder nicht nur Wörter stammeln, sondern Gedanken formen – mit den Mitteln ihrer Zeit? Aber der Herr Denker hat natürlich keine Zeit für Fragen der praktischen Umsetzung. Dafür ist er schließlich zuständig fürs Denken – wie ein antiker Orakelstein, der nur noch in Nebelschwaden spricht. Dass er »Thymos« sagt, wenn er Wut meint, und »Lügenäther«, wenn er einfach nicht zuhören will – geschenkt. Aber wenn einer so sehr auf sich selbst hört, dass kein Platz mehr bleibt für den tatsächlichen Zustand der Welt, dann ist das kein Denken, sondern Pose. Handys als Drogen? Möglich. Aber vielleicht sind es die Gedanken von Herrn »Sloterprecht«, die man nur in kleinen Dosen konsumieren sollte.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (1. Juli 2025 um 21:08 Uhr)
    Wie es scheint, haben die Sloterprechts dieser Welt zuviel vom Lebkuchenhaus der Hexe genascht oder vom Handy, das das Hirn schädigt und Persönlichkeitsstörungen evoziert. Alternative Deutung: Weder Hirn noch Persönlichkeit sind schädig- oder störbar vorhanden.

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