Stiller Jubilar des Tages: Währungsunion
Von Nico Popp
Zugegeben, ein 35. Jahrestag ist recht selten Anlass für Feuerwerk und/oder Sternstunden der politischen Dichtkunst. Aber dass der Jahrestag der sogenannten Währungsunion vom 1. Juli 1990 so ziemlich ohne Sang und Klang über die Bühne geht, hat spezifische Gründe – weist doch der penibel abgearbeitete Festkalender der »Wiedervereinigung« viele belanglosere Einträge auf.
Die Einführung der D-Mark war die wesentliche politisch-ökonomische Wegmarke der Beseitigung der DDR; danach war der alsbald verschwundene Staat nur noch teilsouverän. Und dennoch machte am Montag nur eine Pressemitteilung der Kreditanstalt für Wiederaufbau die Runde, der zu entnehmen war, dass die KfW 2002 das letzte DDR-Papiergeld »in einer Müllverbrennungsanlage endgültig entsorgt« hat.
Dieser Rest des feixenden Triumphalismus von einst macht die sonstige Zurückhaltung nur um so auffallender. Es scheint beinahe, als habe sich herumgesprochen, dass diese Währungsunion der Auftakt für eine historisch einzig dastehende Katastrophe war: eine in Friedenszeiten beispiellose Vernichtung von wirtschaftlicher Substanz, für die mit dem D-Mark-induzierten Fortfall fast aller Absatzmärkte die Weichen gestellt wurden. Was an Konkurrenz für westdeutsche Konzerne übrigblieb, erledigte dann die Treuhand.
Damals war rasch die verlogene Geschichte zur Hand, dass das alles nur deshalb so kam, weil die Industrie im Osten eben »marode« war. Und sowieso hätten »die Ostdeutschen« das so gewollt. Haben sich die Leute am 1. Juli 1990 etwa nicht um das »richtige« kapitalistische Geld geprügelt? Die Arbeiterklasse der DDR war auf eigentümliche Weise selbstbewusst, und ihr kam gar nicht in den Sinn, dass man sie alsbald erbarmungslos fertigmachen würde. Was 1990 ff. im Osten passierte, kann indes auch retrospektiv zu einer sehr nachhaltigen Sensibilisierung führen. Zeit also, dass das Material »endgültig entsorgt« wird.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Torsten Andreas S. aus Berlin (1. Juli 2025 um 15:47 Uhr)Zwanzig vor vier, also zu spät für einen Leserbrief zur jW. Oder ich schreibe heute und der erscheint dann gestern. Wie vorgestern geschehn. - Mist für die Werktätigen, die sich äußern wolln - sie kommen für die Leserbriefeverwaltung zu spät. Gestern, heute, morgen. Vom Wochenende ganz zu schweigen.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus bib (30. Juni 2025 um 21:38 Uhr)Zitat: »Die Arbeiterklasse der DDR war auf eigentümliche Weise selbstbewusst, und ihr kam gar nicht in den Sinn, dass man sie alsbald erbarmungslos fertigmachen würde.« – Diese Aussage bleibt eine journalistische Behauptung ohne jeglichen Beleg. Tatsächlich wünschten sich viele DDR-Bürger die D-Mark – allerdings verbunden mit der Hoffnung, dass zugleich soziale Sicherheit und Lebensstandard erhalten blieben. Diese naive Erwartung übersah jedoch die realen ökonomischen Widersprüche. Es kam, wie es kommen musste: Die D-Mark wurde eingeführt, mit allen gesellschaftlichen Folgen – ein Grund, warum dieser Jahrestag heute weder gefeiert noch bejubelt wird.
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