Linke Sophistereien
Von Carmela Negrete
Am 6. Juni erklärte Enrique Santiago, Sprecher der linken Parteienkoalition Izquierda Unida (Vereinigte Linke, IU), dass seine Partei die Regierung verlassen werde, sollte Premierminister Pedro Sánchez die Fünfprozentverpflichtung unterschreiben. »Es wäre praktisch unmöglich, dass Izquierda Unida in einer Regierung verbleibt, die sich an diesem brutalen Wettrüsten beteiligt«, sagte er während einer Demonstration gegen Aufrüstung in Madrid gegenüber mehreren Medien. Ihren Ursprung hat die IU in der Bewegung gegen den NATO-Beitritt. Die IU ist die stärkste Kraft innerhalb des linken Bündnisses Sumar, das zusammen mit dem sozialdemokratischen PSOE regiert. Allerdings hat die Vereinigte Linke bereits einer Erhöhung der Militärausgaben um mehr als 18 Milliarden Euro in nur zwei Jahren zugestimmt. Dies bedeutet eine Steigerung des Militärbudgets von 22 Milliarden Euro im Jahr 2023 auf über 40 Milliarden Euro im Jahr 2025, was 1,5 Prozent des BIP im Jahr 2023 und 2,4 Prozent des BIP im Jahr 2025 entspricht – die größte Erhöhung in der Geschichte Spaniens.
Jetzt wiederum interpretiert auch die IU die Wahrheit nach eigenem Gusto: Sie spricht von einer akzeptablen »Vereinbarung«, die es so gar nicht gibt, ihr aber erlauben soll, trotz der Unterschrift von Sánchez im NATO-Dokument in der Regierung zu verbleiben. Eva García Sempere, Sprecherin und Organisationssekretärin der IU, erklärte am Montag auf einer Pressekonferenz in der Parteizentrale, dass es besser sei, »die fünf Prozent nicht zu erreichen, als sie zu erreichen, denn dies würde Ressourcen binden, die für politische Maßnahmen benötigt werden, die das Leben der Menschen verbessern«. Und schränkte ein: »Aber wir können nicht vollkommen zufrieden sein. In diesem Kontext – die NATO ist eine kriminelle Organisation – verbietet es sich, über menschliche Sicherheit zu sprechen, und wird eine ernsthafte Friedenspolitik kaum möglich sein.«
In einem Interview mit der Tageszeitung Publico am vergangenen Sonntag erklärte Antonio Maíllo, Generalsekretär der Vereinigten Linken, dass Spanien darüber nachdenken müsse, »warum wir überhaupt in der NATO sind«, und forderte einen Austritt Spaniens aus dem Militärbündnis. »Heute gibt es dafür mehr Gründe denn je, denn die geostrategischen Interessen der Vereinigten Staaten stimmen nicht mit unseren überein.« Doch auch Maíllo leugnete Sánchez’ Unterschrift: »Aus unserer Sicht ist es ein guter Schritt, dass man sich dagegen ausgesprochen hat, fünf Prozent des BIP für Verteidigungsausgaben aufzuwenden.« Es gelte, »ein alternatives Sicherheits- und Verteidigungssystem zu etablieren, das nicht den Ausbruch eines neuen Kalten Krieges vorantreibt«. Ein Mehr an Rüstungsausgaben bringe keine Sicherheit, sehr wohl aber Ausgaben in der Wohnungspolitik, »damit Miete und Wohnungskauf erschwinglich werden«, eine Politik, die dafür sorge, dass Lohnabhängige sich ihre Lebensmittel leisten können und ihr Lohn bis zum Monatsende reiche. »Das ist für uns das wahre Überlebenspaket, das ist das beste Sicherheitsmodell.«
In der Wahlkoalition Sumar hat sich offenbar die Auffassung verfestigt, dass es besser ist, in der Regierung zu bleiben, als Neuwahlen abzuhalten, die laut allen Umfragen von der rechten Volkspartei PP gewonnen würden. Diese könnte dann vermutlich mit der ultrarechten Partei Vox zusammen regieren – eine Regierung, die vielleicht schneller kommt, als noch vor kurzem angenommen, da der PSOE derzeit in einen Korruptionsskandal verwickelt ist, der die Parteispitze betrifft. Eine neue Rechtsregierung kann sich dereinst auf das von Sánchez unterschriebene Dokument berufen, um die militärischen Ausgaben zu erhöhen und Kürzungen in anderen Bereichen durchzusetzen.
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vom 01.07.2025