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Aus: Ausgabe vom 01.07.2025, Seite 1 / Titel
Entwicklungszusammenarbeit

Kein Brot für die Welt

UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung in Sevilla: Große Industrienationen haben ihre Ausgaben für nachhaltige Entwicklung weltweit erheblich gekürzt
Von Jörg Kronauer
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Auch die Staatsverschuldung der ärmsten Länder ist ein drängendes Problem (Protestaktion am Rande der UN-Konferenz in Sevilla)

Die am Montag in Sevilla eröffnete UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung droht in einer größeren Pleite zu enden. Ziel des viertägigen Treffens, des vierten seiner Art seit 2002, ist es, einen globalen Finanzrahmen auszuhandeln, um die UN-Nachhaltigkeitsziele wie geplant bis 2030 zu erreichen. Die 17 Ziele betreffen unter anderem den Kampf gegen Armut und Hunger, den Klimaschutz wie auch Verbesserungen in Sachen Gesundheit. Dass sie realisiert werden können, steht mehr denn je in Frage, seit die transatlantischen Staaten ihr Geld im großen Stil in ihre Militäretats umzuschichten begonnen haben. UN-Generalsekretär António Guterres warnte denn auch am Montag zum Auftakt der Konferenz, heute sei »der Multilateralismus einer harten Bewährungsprobe ausgesetzt«. Er rief dazu auf, künftige Investitionen in die Entwicklung zu »beschleunigen«.

Davon kann nach gegenwärtigem Stand keine Rede sein. Die USA, die unter Präsident Donald Trump das Budget der Entwicklungsagentur USAID um 80 Prozent reduziert haben, sind auf der Konferenz in Sevilla gar nicht erst vertreten. Statt dessen soll USAID am Dienstag endgültig aufgelöst werden. Die US-Kürzungen fallen besonders stark ins Gewicht, weil die USA bislang der weltweit größte Entwicklungszahler waren. Ihre Budgets gekürzt haben auch Großbritannien, Frankreich und Deutschland. Lag der deutsche Entwicklungsetat 2021 noch bei knapp 13,5 Milliarden Euro, so soll er nach mehreren Einschnitten der Ampel- und einer weiteren Streichung der »schwarz-roten« Koalition 2025 bei nur 10,3 Milliarden Euro liegen. In den kommenden Jahren stehen weitere Kürzungen bevor. Die humanitäre Hilfe für 2025 wurde vom Werteweltmeister, der nun Waffenweltmeister werden will, sogar halbiert.

Dabei werden die Kürzungen bei der Entwicklungshilfe laut einer aktuellen Studie des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) nicht zuletzt den bisherigen Geberländern schaden – auch der Bundesrepublik. Die Studie räumt zwar ein, Entwicklungshilfe habe allenfalls »bescheidene« Auswirkungen auf das Wachstum der Empfängerländer. Sie stimuliere aber Handel und Investitionen. Sie könne zudem rasch den politischen Einfluss des Geberlandes stärken, indem das Empfängerland in multinationalen Gremien im Interesse des Gebers abstimme oder sonstige Zugeständnisse mache. Zudem verbessere sie das Ansehen des Gebers und damit seine »Soft Power«. Nicht zuletzt diene sie als »strategische Versicherung« gegen kostspielige Pandemien oder gegen große Flüchtlingsbewegungen, etwa wegen Elendsunruhen. In diesem Sinn warnte vor der UN-Konferenz in Sevilla der Leiter des UN-Entwicklungsprogramms UNDP, Haoliang Xu, »Krisen in einem Teil der Welt« könnten schon in Kürze »Auswirkungen auf andere Teile der Welt« haben, die zur Zeit »wohlhabend und stabil« seien – noch.

Zu der UN-Konferenz haben sich rund 50 Staats- und Regierungschefs angemeldet. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der am Wochenende das Operative Führungskommando der Bundeswehr in Schwielowsee besuchte, zählt nicht dazu: Die deutsche Delegation wird von Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan (SPD) geleitet. Der Entwurf für die Abschlusserklärung liegt bereits vor. NGOs kritisieren ihn als gänzlich unzulänglich. Oxfam etwa weist darauf hin, dass die Konferenz einmal mehr »die Chance« verfehle, im »Kampf gegen globale Armut und Ungleichheit« Fortschritte zu erzielen.

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