Gegründet 1947 Sa. / So., 28. / 29. Juni 2025, Nr. 147
Die junge Welt wird von 3019 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 27.06.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
UNI Europa

Amazon boykottiert erneut Anhörung

Europäische Gewerkschaften fordern vom EU-Parlament Sanktionen gegen Handelsriesen
Von Susanne Knütter
Niedersachsens_Minis_78805853.jpg
Mitarbeiterin sortiert im Logistikzentrum der Amazon Logistik Winsen GmbH angelieferte Produkte

Es ist das dritte Mal, dass keine Vertreter von Amazon zu einer geplanten Anhörung im Europäischen Parlament (EP) erschienen sind. Seit 2021 soll sich der Handelsriese vor EU-Abgeordneten für seine Arbeitsbedingungen in den europäischen Amazon-Lagern verantworten. Das verweigert der Konzern konsequent. Die im internationalen Dachverband UNI Global organisierten europäischen Dienstleistungsgewerkschaften haben am Donnerstag deshalb gefordert, »weitere Maßnahmen gegen Amazon zu ergreifen«. Während Jeff Bezos »mit seinem Nettovermögen von 230 Milliarden Dollar auf seiner 500-Millionen-Dollar-Yacht zu einer 20-Millionen-Dollar-Hochzeit nach Venedig fährt, finde ich es beleidigend, dass das Unternehmen zum dritten Mal nicht zu einer Anhörung im Europäischen Parlament erschienen ist«, kritisierte Oliver Röthig, Regionalsekretär von UNI Europa, bei der Anhörung. »Hätte sich ein Amazon-Beschäftigter gegenüber dem Amazon-Management so verhalten, wäre er bereits dreimal entlassen worden.«

Bereits 2023 entzog das Europäische Parlament den Vertretern von Amazon den Lobbyzugang, nachdem sie zu einer Anhörung nicht erschienen waren. Amazon war damit erst das zweite Unternehmen nach Monsanto, das mit einer solchen Strafe belegt wurde. Laut Uni Global habe die Maßnahme »funktioniert« und Amazon dazu veranlasst, nach den Europawahlen 2024 erneut mit dem Ausschuss zusammenzuarbeiten. Bis zur nächsten Vorladung vom Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Parlaments.

In einem Brief an die Mitglieder des Europäischen Parlaments fordert UNI Europa nun unter anderem die Veröffentlichung aller europäischen institutionellen Verträge mit Amazon und seinen Tochtergesellschaften, die Aussetzung dieser Verträge bis zur Überprüfung ihrer Vereinbarkeit mit dem EU-Vergaberecht und den Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation 87 und 98. Diese Übereinkommen regeln einerseits die Vereinigungsfreiheit, andererseits das Recht auf Kollektivverhandlungen. Außerdem fordert UNI Europa die Kündigung der Verträge, bei denen ein Verstoß festgestellt wurde.

Agata Wypiór, Vorsitzende des Betriebsausschusses der NSZZ Solidarność Amazon Polen, erläuterte in der EP-Anhörung über die Verhandlungen mit Amazon: »Wir reden über Erhöhungen, aber ohne Erfolg. Stellen Sie sich vor, dass ein Angestellter nach zehn Jahren Arbeit bei Amazon rund 6,42 Euro pro Stunde bekommt.« Mehrere Europaabgeordnete verschiedener Fraktionen – wie Estelle Ceulemans (S & D) und Liesbet Sommen (EVP) – forderten nach Angaben von UNI daraufhin die Beibehaltung des Entzugs der Lobbyistenausweise von Amazon.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

Regio:

Mehr aus: Kapital & Arbeit