Systematische Folter
Von Gerhard Feldbauer
Folter und Missbrauch sind ein wesentlicher Bestandteil der Fluchtrouten rund um das Mittelmeer. Diese schockierende Einschätzung trifft ein am Donnerstag von der italienischen Abteilung von »Ärzte ohne Grenzen« vorgestellter Bericht mit dem Titel »Disumani« (Unmenschlich, jW). Erstellt wurde er in Palermo unter anderem in Zusammenarbeit mit dem dortigen Universitätsklinikum. Er basiert auf Gesprächen mit Folteropfern, die die Ärzte behandelt haben.
Dem Bericht zufolge sind die Opfer überwiegend Männer, im Durchschnitt 25 Jahre alt. Zu den praktizierten Methoden zählen Schläge, Auspeitschungen, Verbrennungen, Nagelentfernung, Stromschläge und Ersticken. Etwas mehr als die Hälfte der dokumentierten Folterungen ereignete sich in Libyen. Ein weiteres Drittel der dokumentierten Fälle von Folter geschah in neun von Italien als »sicher« eingestuften Ländern. Für Frauen ist die Situation demnach nicht besser: 80 Prozent der Patientinnen erlebten mindestens einmal sexuelle Gewalt. Insgesamt wiesen 67 Prozent der Patienten posttraumatische Belastungssymptome auf, dennoch erhielten nur 22 Prozent einen Schutzstatus. In insgesamt 60,3 Prozent der Fälle waren die Täter Menschenhändler, bei einem Drittel waren es Einsatzkräfte. Außerdem belegt die Untersuchung eine Zunahme der Folterfälle in Tunesien und Algerien.
In einer Pressemitteilung kritisierte Ärzte ohne Grenzen die »extrem besorgniserregenden Rahmenbedingungen des italienischen Aufnahmesystems«, das durch zusätzliche restriktivere Vorschriften zur Migration und zur Anerkennung von Flüchtlingen und Opfern von Gewalt noch weiter verschärft werde. Die Veröffentlichung des Berichts erfolgte anlässlich des Welttags zur Unterstützung von Folteropfern und am selben Tag, an dem sich EU-Spitzenpolitiker, darunter der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz, in Brüssel über eine weitere Verschärfung der Migrationspolitik berieten – initiiert unter anderem von der extrem rechten italienischen Premierministerin Giorgia Meloni.
Der Bericht von Ärzte ohne Grenzen: kurzlinks.de/Disumani-Bericht
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