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Aus: Ausgabe vom 23.06.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Finanzmärkte

Kriegerische Börsianer

Studie: Investments in Rüstungsbranche immer beliebter. Kursrallye bei Rheinmetall und Co. hält an
Von Oliver Rast
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Auf diesen modischen Panzer aus der Düsseldorfer Waffenschmiede können Anleger setzen (Villepinte, 17.6.2024)

Es ist eine Art Ballerspiel: mit Aktien von Kriegskonzernen zocken. Auf dem Börsenparkett. Das macht offensichtlich immer mehr Anteilseignern in Deutschland Spaß. Kein Wunder bei der Kursrallye. Belegt durch eine Studie des Vergleichsportals Verivox, über die dpa am Sonntag berichtete. Demnach finden es 21,4 Prozent der Befragten »auf jeden Fall vertretbar«, wenn Privatanleger ihr Geld in Unternehmen stecken, die Munition, Waffen, Panzer und Jagdbomber produzieren. 34,9 Prozent halten das für »eher vertretbar.« Unter dem Strich also eine Mehrheit der 1.012 befragten Personen im Alter von 18 bis 79 Jahren. Und die Minderheit? Knapp 31 Prozent finden »private Rüstungsinvestments eher verwerflich«. Fast 13 Prozent lehnen sie ab. Entschieden.

Ob es legitim sei, »wenn Privatanleger mit Investments bei Waffenherstellern selbst Geld verdienen wollen, ist auch heute noch umstritten«, wurde Oliver Maier, Verivox-Geschäftsführer, gleichentags von dpa zitiert. Aber die Mehrheitsverhältnisse hätten sich gedreht. In einer Verivox-Umfrage von 2022, vor dem Ukraine-Krieg, hatten noch 53 Prozent Bedenken gegen Kapitalanlagen in Firmen aus der Rüstungsbranche.

Der Trend, an der Wertpapierbörse in entsprechende Anteilsscheine, Investmentfonds oder in börsengehandelten Fonds (ETF) zu investieren, ist ungebrochen. Auch mit Blick auf den Gipfel des Kriegsbündnisses NATO, der an diesem Dienstag im niederländischen Den Haag beginnt.

Zuvor, Mitte Mai, hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in seiner ersten Regierungserklärung die Marschroute ausgegeben, dass die Bundeswehr »konventionell zur stärksten Armee Europas« werden soll. Börsianer hätten die »Zeitenwende«, den »Epochenbruch« begriffen, so das Fachportal Börse online am Sonnabend. »Rheinmetall ist in unserer Statistik die beliebteste Aktie unter deutschen Anlegern.« Mit Renk auf Platz drei und Hensoldt auf Platz sechs lägen zwei weitere Unternehmen aus dem Sektor in der Spitzengruppe. Ein Aufstieg, begleitet »von massiven Kursgewinnen«.

Der Wert der Aktie des deutschen Branchenprimus Rheinmetall habe in diesem Jahr bereits um mehr als 180 Prozentpunkte zugelegt, berichtete das Onlineportal finanzen.net am Freitag. Für Hensoldt ging es um 167 Prozentpunkte nach oben, »während Aktien des Motorenherstellers Renk seit Jahresstart ein Plus von 268 Prozent eingefahren haben«. Rheinmetall ist mittlerweile der sechstgrößte Wert im Dax und mit einem Anteil von viereinhalb Prozent wichtiger Kurstreiber für den deutschen Leitindex. Kurzum, 2025 ist das Jahr der Kriegsaktien.

Jene Anteilsscheine sind sogenannte Momentumwerte, wie aus dem Lehrbuch, erklären die Analysten von Börse online. »Eine lange vernachlässigte Branche, die durch ein gravierendes Ereignis plötzlich ganz neue wirtschaftliche Perspektiven hat.« Die Masse »der Marktteilnehmer« tue sich zunächst schwer, das Ausmaß zu erfassen. Die Kurse stiegen darum nicht auf einen Schlag, »sondern über einen erstaunlich langen Zeitraum«.

Dennoch, vor wenigen Jahren wäre dieser Rüstungsboom undenkbar gewesen, hatte der Finanzethiker Bernd Villhauer vom Weltethos-Institut in Tübingen im Mai gegenüber tagesschau.de bemerkt. Militär werde nun als »notwendiges Übel« gerade hinsichtlich der Verteidigung gesehen. »Deswegen ist die Bereitschaft, das auch selbst im Anlageverhalten abzubilden, viel größer geworden«, so Villhauer weiter. »Doch mit jeder Investition in die Rüstungsindustrie sind sie mitbeteiligt, wenn Waffen hergestellt werden, die Menschen töten.«

Immerhin, Restrisiken bleiben: Diplomatie, Waffenstillstand, Friedensschluss. Eine echte Bedrohungslage für das Dauerfeuer kriegerische Börsianer am Aktienmarkt.

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