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Aus: Ausgabe vom 20.06.2025, Seite 2 / Inland
Kürzungen an Hochschulen

»Institute fallen dem Kahlschlag zu Opfer«

Hessischer Hochschulpakt bedroht Wissenschaftsfreiheit. Protest wird lauter. Ein Gespräch mit Alex K.
Interview: Niki Uhlmann
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Leere Sitze in einem Hörsaal

Am Mittwoch haben in Hessen Tausende gegen den Hochschulpakt demonstriert. Was wurde kritisiert?

Der Pakt ist eine weitere Zuspitzung der vorangegangenen Kürzungen. Schon 2024 wurden 34 Millionen Euro im Bildungshaushalt gekürzt. Anfang 2025 wurden dann knapp 500 Millionen aus den Rücklagen der Hochschulen eingezogen. Mit dem Hochschulpakt, der neuen Vereinbarung über die Finanzierung der Hochschulen, würde bis 2031 ein Defizit von einer Milliarde Euro entstehen. Man muss davon ausgehen, dass diesem Kahlschlag ganze Institute, Fachbereiche oder sogar kleine Universitäten zum Opfer fallen werden.

Ihr Bündnis »Bildung ohne Lücken« macht sich auch Sorgen um die Wissenschaftsfreiheit. Warum?

Die Hochschulen wären noch abhängiger von Drittmitteln und damit von Stiftungen und Kapital. An diese würde das Mitspracherecht, wozu wie geforscht wird, abgegeben. Das kann die Wissenschaftsfreiheit einschränken. Gleichzeitig treffen Kürzungen immer zuerst die kritischen Wissenschaften, die sich dem gesellschaftlichen Fortschritt zuwenden und damit den Herrschenden im Weg stehen. Das wäre keine Wissenschaft für die Menschen, sondern eine Wissenschaft für die Interessen von Staat und Kapital.

Das Bündnis versucht, den Widerstand der Studierendenschaft zu organisieren. Wie ist die Stimmung an den Hochschulen?

Unser Bündnis soll alle Beteiligten mitnehmen, wobei Studierende die größte Gruppe sind. Im Vorlauf der Proteste hat man gemerkt, dass Gewerkschaften und Asten nicht breit in der Studierendenschaft verankert sind und sie deswegen kaum allein und dauerhaft mobilisieren können. An dieser Stelle setzen wir an und machen Basisarbeit, die bislang nicht passiert ist. Die Gewerkschaften und Asten haben auch auf die Kürzungen ziemlich spät reagiert. Der Unmut über Kürzungen wächst schon seit Jahren, etwas weniger bei den Studierenden, aber bei den Betroffenen mit jedem weiteren Einschnitt immens.

Das BAföG fehlt und auch die Studierendenwerke sind nicht ausfinanziert, es fehlen Plätze in den Bibliotheken und Wohnheimen, die Mensapreise steigen. Dennoch wird aufgerüstet und bald auch die Wehrpflicht eingeführt. Durch die Studierenden wird inzwischen der Zusammenhang mit Militarisierung stärker in den Vordergrund gerückt. Wird das Geld in Aufrüstung gesteckt, fehlt es an anderer Stelle, muss gekürzt werden. Das haben auch die Gewerkschaften aufgegriffen. In der FAZ war zu lesen: »Bildung statt Bomben, schallt es über den Platz.« Das ist ein Fortschritt.

Die GEW kritisiert, dass Verhandlungen sehr intransparent ablaufen. Wie nimmt das Bündnis darauf Einfluss?

Was wir von den Präsidien vernehmen, ist, dass abgeschwächte Kürzungen akzeptabel seien. Ihnen scheint die Grundfinanzierung zu reichen, wenn damit Drittmittel eingeworben werden können. Unsere Forderungen gehen dabei über die der Gewerkschaften hinaus: Wir wollen eine Ausfinanzierung und Demokratisierung der Hochschulen sowie den Erhalt und die Erweiterung der Zivilklauseln, die die Landesregierung derzeit versucht abzuschaffen. Die Friedensfrage konkret zu machen, wie am Beispiel Gaza, ist ein Prozess, den man auch mit den Gewerkschaften weiterführen muss.

Einfluss nehmen wir auch in den Hochschulgremien. Dort sind auch die Dozenten, die mehrheitlich gegen die Kürzungen sind. Sie haben aber Angst, sich gegen die Präsidien zu stellen. Ihre Kritik bleibt daher auf private Gespräche beschränkt, gelangt also nicht in die Öffentlichkeit. Das wollen wir ändern, indem wir signalisieren, dass ein großer Teil der Studierendenschaft hinter den Forderungen steht, dass die Kürzungen insgesamt nicht im Interesse der Hochschule sind. Als die Studiengebühr eingeführt werden sollte, gab es eine starke Studierendenbewegung, die das abwehren konnte und darüber hinaus Zivilklauseln erkämpft hat. Aus der Verteidigung eine Offensive zu machen, ist das Ziel des Bündnisses.

Wie schätzt das Bündnis seine Erfolgsaussichten ein?

Es ist noch etwas zu früh, um das einzuschätzen. Das Problem ist, dass der Hochschulpakt bald unterschrieben werden soll, womöglich schon diesen Sommer. Der erste Etappenerfolg wäre es, die Unterzeichnung vorerst zu verhindern, um dann weiter die Bewegung aufzubauen und den Druck zu erhöhen.

Alex K. ist aktiv im Bündnis »Bildung ohne Lücken«

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