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Aus: Ausgabe vom 18.06.2025, Seite 10 / Feuilleton

Thein, Geppert, Gruber Jubel der Woche. Von Jegor Jublimov

Von Jegor Jublimov
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Reüssierte vor und hinter der Kamera: Ulrich Thein als Reformator Luther (1983)

Kann Talent über viele Generationen vererbt werden? Am 21. Juni vor 30 Jahren starb Ulrich Thein. Man kennt ihn als Schauspieler, der sowohl Martin Luther als auch Johann Sebastian Bach eindrucksvoll verkörperte. Als Regisseur griff er bei DFF und Defa vor allem Gegenwartsstoffe auf und schuf viel diskutierte Werke. Dabei ist fast vergessen, dass Thein, in Braunschweig 1930 als Sohn eines Kapellmeisters geboren, Harfe und Klavier studiert hatte und eigene Musikstücke in seine Filme einfließen ließ. Ein Urgroßonkel von ihm war der aus Zittau stammende Heinrich Marschner (1795–1861), der mit Opern und anderen Bühnenwerken ein viel gespielter Komponist der Romantik war.

Thein kam 1951 in die junge DDR und stand für mehr als ein Jahrzehnt auf Berliner Bühnen. Fürs Kino spielte er ab 1952 unter Regie von Martin Hellberg, Kurt Maetzig, Frank Beyer und Konrad Wolf, ehe er ab 1963 selbst Filme inszenierte. Erst 1978 gelang es Günter Reisch, Thein für die Hauptrolle in »Anton, der Zauberer« als Darsteller zurückzugewinnen. Dass Thein kein hohes Alter erreichte, lag wohl auch daran, dass die Hoffnungen, die er in »den besseren deutschen Staat« gesetzt hatte, zerstoben waren.

Seine Erfahrungen als Jungkommunist wie auch in der illegalen Arbeit während der Naziherrschaft verarbeitete Otto Gotsche in dem Roman »Die Fahne von Kriwoj Rog« (1959). Die als Zeichen der Solidarität 1929 an mansfeldische Kumpel von ukrainischen Bergarbeitern aus der heute Kriwij Rig genannten Stadt übersandte Fahne wurde während der braunen Diktatur versteckt und kam als Symbol der proletarischen Verbundenheit 1945 wieder zu Ehren. Regisseur Kurt ­Maetzig verfilmte den Roman 1967 u. a. mit Erwin Geschonneck, Marga Legal, Manfred Krug und Fred-Arthur Geppert als Parteisekretär Rüdiger. Letzterer kam am Montag vor 100 Jahren in Bitterfeld zur Welt und war bis zu seinem Tod 1999 ein angesehener Schauspieler in Leipzig und darüber hinaus. Oft sah man ihn in Produktionen von Studio Halle, im Fernsehtheater Moritzburg, aber auch in Defa-Rollen (Lehrer Luschmil in »Ottokar der Weltverbesserer«, 1977) fiel er auf.

Die in Wuppertal nicht auf Rosen gebetteten Eltern von Marie Gruber zogen zu Beginn der 1960er Jahre in die DDR nach Halle. Hier konnte sie studieren, wurde Schauspielerin in Greiz, Anklam und Dresden, ehe sie in Berlin ansässig wurde. Schon in der DDR konnte sie sich in dramatischen Rollen vor der Kamera beweisen, etwa 1985 als lesbische Straftäterin neben Ute Lubosch in der »Polizeiruf«-Folge »Verführung« oder 1986 neben Christian Steyer im Defa-Drama »Der Traum vom Elch«, wo sie aus unerfüllter Liebe Suizid begeht. Bundesweit bekannt wurde Gruber ab 1991 an der Seite von Wolfgang Stumph in den beiden »Go Trabi Go«-Komödien sowie als Ehefrau des Kommissars Stubbe in der ZDF-Reihe. Ab 2000 war sie als Kriminaltechnikerin neben Jaecki Schwarz und Wolfgang Winkler im »Polizeiruf 110« dabei. Dass sie daneben oftmals in Märchen Mütter (»Das kalte Herz«, 2014) und Großmütter (»Rotkäppchen«, 2012) gab, war keine Entschädigung dafür, dass ihr eine wirkliche Alterskarriere versagt blieb. Sie wäre in der vorigen Woche 70 geworden und starb schon mit 62 Jahren an Lungenkrebs.

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