Demonstrationen gegen Massentourismus
Von Carmela Negrete
Es reicht – »Basta!«, sagten am Sonntag Mieter und Lohnabhängige in mehreren europäischen Städten. Sie protestierten gegen den Massentourismus, der ihre Altstädte verändert und das Leben vor Ort zunehmend erschwert. Aktionen fanden unter anderem in den spanischen Städten Granada, Eivissa, Barcelona und Bilbao statt. Auch in Lissabon und Marseille gingen Menschen für eine stärkere Regulierung des Sektors auf die Straße. Bereits Mitte Mai hatten nach Veranstalterangaben rund 23.000 Menschen auf den Kanarischen Inseln demonstriert – eine Region, die im vergangenen Jahr rund 18 Millionen Touristen zählte. Aufgerufen hatte das Südeuropäische Netzwerk gegen Touristifizierung (auf spanisch: Red del Sur de Europa contra la Turistificación), ein Zusammenschluss sozialer Bewegungen aus mehreren touristischen Hotspots, die sich gegen die schädlichen Folgen des Massentourismus einsetzen.
Die Kritik richtet sich nicht nur gegen den enormen Verbrauch natürlicher Ressourcen wie Wasser, sondern auch gegen die sozialen Auswirkungen: überfüllte Krankenhäuser, unbezahlbare Wohnungen und ein überlasteter Dienstleistungssektor. In Barcelona beteiligten sich nicht nur Stadtbewohner, sondern auch Hotelangestellte, die gegen Niedriglöhne protestieren, sowie Beschäftigte des Krankenhauses »Hospital del Mar«. Aufgerufen zu den Protesten hatte unter anderem die Nachbarschaftsvereinigung »Versammlung der Viertel für eine Schrumpfung des Tourismus« (auf katalanisch: Assemblea de Barris pel Decreixement Turístic). Laut Polizei nahmen rund 600 Personen teil – die Aktion erregte dennoch Aufmerksamkeit, da viele Demonstrierende mit Wasserpistolen »bewaffnet« waren. In der Stadt soll es rund 21.200 illegale Ferienwohnungen geben, in denen 190.000 Menschen leben könnten. Der Bürgermeister Jaume Collboni versucht, die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Problem zu vertagen: Erst 2029 soll die Mietung von Wohnungen für Touristen begrenzt werden.
Auch auf Mallorca, einem der Lieblingsreiseziele vieler Deutscher, kam es am Sonntag zu Protesten. Rund 8.000 Menschen zogen durch das Stadtzentrum von Palma, um unter dem Motto »Weniger Tourismus, mehr Leben« konkrete Maßnahmen zu fordern. Darunter: eine Begrenzung der Touristenzahl und ein Moratorium für das Anlegen von Kreuzfahrtschiffen. Im Jahr 2024 besuchten rund 19 Millionen Menschen die Balearen. Trotzdem war die Demonstration kleiner als vor einem Jahr, als rund 50.000 an einem ähnlichen Protest teilgenommen hatten. Die Regionalregierung hat einige Maßnahmen bereits beschlossen. So sollen unter anderem die rund 1.700 Liegen auf den Stränden entfernt werden, um mehr Platz für die Mallorquines zu schaffen. Doch das drängendste Problem bleibt: Einfache Arbeiter können sich in den Traumorten eine Wohnung kaum noch leisten. Hunderte leben deshalb in Wohnwagen, was manche Städte auf Mallorca verbieten wollen.
Problematisch ist nicht nur die hohe Zahl an Touristen, sondern auch die vieler Neuzugezogener, die sich dauerhaft in beliebten Urlaubsorten niederlassen und so die Immobilienpreise für Einheimische weiter in die Höhe treiben. Die Infrastruktur könne mit dem rasanten Wachstum nicht mithalten, kritisieren die Aktivisten. Frühere Proteste hatten bereits zu einzelnen regionalen Maßnahmen geführt, etwa die Begrenzung von Mietwagen auf den Balearen. Auf den Kanarischen Inseln wird derzeit ein Gesetz diskutiert, das die Anzahl an Ferienwohnungen beschränken soll. Grundsätzlich aber muss ein anderes Tourismussystem her. Eines, das die Bewohner ins Zentrum stellt. Das forderte etwa die Plattform Bizilagunekin, die rund 50 Organisationen vereint und in Donostia (baskisch für San Sebastián) eine Demonstration gegen die Touristifizierung organisiert hat.
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