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Aus: Ausgabe vom 11.06.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Rezession in den Bergen 

Österreich bankrott

Mehr Insolvenzen in Vorarlberg. Bundesweit bis zu 7.000 Firmenpleiten erwartet
Von Dieter Reinisch, Wien
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Geht die Firma pleite, bleibt die Tür geschlossen.

Schwache Wirtschaftslage und Kürzungsbudget der Regierung: Laut dem österreichischen Kreditschutzverband von 1870 (KSV 1870) hat sich die Zahl der Firmenpleiten auf hohem Niveau eingependelt. Im Bundesland Vorarlberg beispielsweise sei die Zahl der Insolvenzen in den ersten Monaten des Jahres weitgehend konstant geblieben, berichtete der ORF Vorarlberg am Dienstag. Im ersten Quartal 2025 habe es nach Angaben von KSV-1870-Regionalleiter Klaus Schaller 41 Firmenpleiten gegeben. Das seien 2,5 Prozent mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Auch Österreich befindet sich im dritten Jahr einer Rezession – die längste seit 1945.

Die Prognosen für die nächsten Wochen deuten darauf hin, dass die Zahl der Insolvenzen abnehmen könnte, sagte Schaller nach Angaben des ORF. Aus derzeitiger Sicht sei sogar ein Rückgang von 20 Prozent möglich. Schaller gehe demnach aber davon aus, dass der Rückgang keine langfristige und nachhaltige Entwicklung sein werde. Es handle sich um eine Schwankung, die bis zum Jahresende wieder ausgeglichen werde. Neben den Branchen Bau und Gastronomie sei erstmals der Handel an der Spitze der Insolvenzen in Vorarlberg gewesen: Insgesamt hätten 14 Handelsbetriebe Insolvenz anmelden müssen.

Düsterer sieht es für Betriebe in anderen Teilen Österreichs aus, vor allem in Wien, wo laut KSV 1870 bereits jetzt jede dritte Zahlungsunfähigkeit verortet wird. Im ersten Quartal 2025 waren in der Bundeshauptstadt rund 650 Unternehmen von einer Insolvenz betroffen. Österreichweit sind es 1.741, ein Anstieg von drei Prozent im bundesweiten Vergleichszeitraum des Vorjahres. Mit knapp sechs Prozent war die Steigerung in Wien jedoch doppelt so groß. Nach Einschätzung der KSV 1870 dürfte sich die Situation weiter verschärfen, denn bis zum Jahresende könnte es zu rund 2.650 Unternehmensinsolvenzen in der Hauptstadt kommen.

Darüber hinaus standen im ersten Quartal 2025 zwölf Großinsolvenzen mit Passiva von über zehn Millionen Euro zu Buche. Im Vorjahr waren es zum selben Zeitpunkt 18 Fälle dieser Kategorie. Trotz etwas weniger Großinsolvenzen sind die vorläufigen Passiva gegenüber dem Vorjahr um 6,9 Prozent auf rund 2,04 Milliarden Euro gestiegen. Dies sei ein Anstieg »ausgehend von einem ohnehin sehr hohen Niveau«, betonte der KSV 1870 in einer Presseaussendung Anfang April. Denn 2024 war ein Rekordjahr für Insolvenzen in Wien: Die Passiva betrugen 2024 fast 1,7 Milliarden Euro, ein Anstieg um rund 450 Prozent im Vergleich zu 2023. Diese Zahlen wurden in Wien durch die Folgeinsolvenzen innerhalb der Signa-Gruppe von René Benko noch in die Höhe getrieben.

Von den bisherigen Insolvenzen im ersten Quartal seien bundesweit 10.200 Gläubiger und 6.400 Beschäftigte betroffen. Für das ganze Jahr rechnet der KSV 1870 mit 6.500 bis 7.000 Unternehmensinsolvenzen in ganz Österreich. »Damit die Insolvenzzahlen mittel- und langfristig sinken, muss die Wirtschaft deutlich und rasch gestärkt werden«, betonte KSV-1870-Leiter Karl-Heinz Götze bei der Veröffentlichung der Daten. Erst wenn dies der Bundesregierung gelinge, sei ein nachgelagerter Rückgang der Fallzahlen möglich. Doch danach sieht es momentan nicht aus.

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