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Aus: Ausgabe vom 07.06.2025, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

CIA-Fachkräftemangel in China

Von Arnold Schölzel
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In den, verglichen mit heute, gemütlichen Zeiten des alten Kalten Krieges funktionierten auch die Geheimdienste in Ost und West noch einigermaßen und erfreuten sich respektvoller Beachtung. Nur der Bundesnachrichtendienst (BND) hatte seit den 70er Jahren eine schlechte Presse. Er galt als schlafmützig, weil er angeblich immer weniger Ahnung vom Osten hatte, was wohl stimmte, seine Agentenbasis war dahingeschmolzen. Es gab jedenfalls Prügel. Der von 1974 bis 1982 amtierende Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) soll zum Beispiel den BND mehrfach als »Dilettantenverein« bezeichnet haben, und sein Sprecher Klaus Bölling behauptete, Schmidt habe »mit dem Ausdruck ehrlichen Entsetzens« auf das Ansinnen reagiert, doch einmal an der wöchentlichen BND-Sicherheitslage im Kanzleramt teilzunehmen. »Hohnlachend« habe er hinzugefügt, »da lese ich statt dessen doch lieber gleich die Neue Zürcher Zeitung (NZZ)«.

Das Blatt und den BND gibt es immer noch, und die Gunstverteilung hat sich nicht geändert. Weil BND-Präsident Bruno Kahl am 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Einmarsches in die Ukraine, nichtsahnend in Kiew war und dort steckenblieb, gab es reichlich Hohn. Die NZZ tut wie einst so, als überflügle ihr Geheimwissen das jedes Dienstes. Das ist zwar Unsinn, hat aber in der Schweiz, dem Vermögenshort aller Großverbrecher, auch etwas für sich: Die wollen wissen, wer was von ihnen weiß.

Am Freitag griff sie also unter der Überschrift »Die CIA versucht, Spione in China anzuwerben« einen Jammerbericht der Washington Post auf. NZZ-Unterzeile: »Der amerikanische Auslandsgeheimdienst hat ein Nachwuchsproblem und setzt deshalb auf neue Methoden der Rekrutierung.« Die sind, zeigt die Lektüre, ziemlich wirkungslos: Die CIA lasse gegenwärtig zwei Videos, die wie eine Netflix-Serie oder ein Hollywood-Trailer aufgemacht seien, »auf verschiedenen sozialen Netzwerken in China kursieren« und sei »überzeugt, dass die Kurzfilme trotz der Internetzensur beim Zielpublikum ankommen«. Sie zeigen demnach frustrierte chinesische Staatsangestellte, die am Ende der Filmchen die CIA kontaktieren. Vor drei Jahren habe man das schon in Russland so gemacht – »laut der CIA mit Erfolg«.

Die neuartige Berufswerbung hat mit Fachkräftemangel zu tun: Die Zahl der Neurekrutierungen chinesischer Agenten sei seit »2019 massiv gesunken« – wegen der Lockdowns zu Zeiten der Pandemie und wegen voreiliger »Begeisterung über neue technische Möglichkeiten der Spionage«. Die täglichen Geheimdienst-Briefings für den US-Präsidenten seien zu 60 Prozent elektronisch gewonnen, aber es werde »immer klarer, dass man nicht auf lokale Mitarbeiter verzichten könne«. Erst ein Kollaborateur aus Fleisch und Blut ermögliche den Hackerangriff, andererseits erschwere »die allgegenwärtige technische Überwachung« der Chinesen die Rekrutierung. Für Agenten werde »die Tätigkeit zu einem Spießrutenlauf«.

Am Ende gelangt die NZZ-Jammerei zum vermutlich wichtigsten Punkt: Seit 2010 habe es in China »eine Welle an Enttarnungen« gegeben. Nun seien die Kürzungen Trumps dazugekommen und schließlich Elon Musk mit seiner Effizienzbehörde: Der habe die CIA im Februar »eine ungesicherte E-Mail mit einer Liste« mit Vorschlägen für Personaleinsparungen geschickt: »Offenbar führte der Lapsus zur Enttarnung von etwa einem Dutzend Agenten«, die nun nicht in China eingesetzt werden können.

Musk hat sich demnach ungewollt Verdienste erworben, die bisher nicht öffentlich gewürdigt wurden. Die NZZ-Lektüre scheint sich wie zu Zeiten Helmut Schmidts insofern zu lohnen. Auf den Erfolg der CIA-Werbevideos dürfen alle gespannt sein, die gern Märchen lesen.

Die NZZ tut wie einst so, als überflügle ihr Geheimwissen das jedes Dienstes. Das ist zwar Unsinn, hat aber in der Schweiz, dem Vermögenshort aller Großverbrecher, auch etwas für sich: Die wollen wissen, wer was von ihnen weiß.

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