Wölfe im Schafspelz
Von Michael Henkes
In Zeiten politischer, zivilgesellschaftlicher und medialer bellizistischer Dauerbeschallung muss die Bundeswehr sich um ihr Bild in der Öffentlichkeit wenig Gedanken machen. Weitaus schwieriger hatten es die Granden von Politik und Militär unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Wenig verwunderlich nach Millionen von Toten und weitreichender Zerstörung Europas. Zunächst deutete wenig darauf hin, dass nur zehn Jahre nach Kriegsende, am 7. Juni 1955, Deutschland durch die Umwandlung des sogenannten Amts Blank wieder ein »Verteidigungsministerium« haben würde.
Nicht, dass es nicht von Anfang an Bestrebungen dieser Art gegeben hätte. Hohe Kreise aus Politik, Militär und Wirtschaft strebten die Wiederbewaffnung an. Dabei konnten sie sich der Unterstützung vor allem reaktionärster Kreise der US-Eliten sicher sein. Bereits in den späten 1940ern gab es in den USA Pläne, deutsche Militärverbände zwecks möglichen Kriegs gegen die UdSSR aufzustellen. Spätestens im Mai 1950 war es ausgemachte Sache, dass die frisch gegründete BRD über eigene Streitkräfte verfügen sollte. Hieraufhin gründete sich der »Bundesgrenzschutz«, der wesentlich paramilitärischer organisiert war als die heutige Bundespolizei. Im August 1950 verpflichtete sich dann Konrad Adenauer gegenüber den Westalliierten, vorbei an Parlament und Kabinett, zur Wiederbewaffnung.
Zwar bot der im Sommer 1950 ausgebrochene Koreakrieg einiges an »Stoff« für die antikommunistische und militaristische Propagandamaschinerie, doch blieben weite Teile des Volkes klar contra Remilitarisierung. Allen voran die Arbeiterbewegung, die in den frühen 1950ern noch stark geprägt war von alten, klassenbewussten Kadern – wenn auch ihre DGB- und SPD-Führer bereits mit Zugeständnissen an die Reaktion liebäugelten. Aber auch Christen und Liberale waren an der Protestbewegung beteiligt: Der Theologe Martin Niemöller, der Politikwissenschaftler Karl Kaiser und Gustav Heinemann (der aus Protest 1950 aus dem Adenauer-Kabinett austrat) zählten ebenso dazu wie der Nobelpreisträger Albert Schweitzer und der Philosoph Karl Jaspers.
»Ohne mich!«
Diese »Ohne mich!«-Bewegung war Adenauer ein Dorn im Auge, es folgte entsprechend Repression. Die der KPD nahestehende antimilitaristische Freie Deutsche Jugend (FDJ) wurde am 26. Juni 1951 verboten. Im August 1951 wurde das 1. Strafrechtsänderungsgesetz beschlossen, das 37 neue Strafnormen festlegte und unter anderem die Tatbestände des Hochverrats, Landesverrats und der Geheimbündelei einführte. Am 23. November 1951 stellte die Regierung den Verbotsantrag gegen die Kommunistische Partei. Es gab circa 8.700 Polizeieinsätze gegen Aktionen im Rahmen der Volksbefragung gegen die Wiederbewaffnung, circa 7.300 Helfer wurden dabei verhaftet und rund 1.000 Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Parallel zu dieser Repressionswelle nahmen die Pläne zur Wiederbewaffnung konkrete Formen an. Ein wesentlicher Meilenstein dabei war die »Himmeroder Denkschrift«, veröffentlicht nach dem Himmeroder Treffen, benannt nach dem Tagungsort, einem Kloster. Dort kamen im Oktober 1950 auf Anweisung Adenauers 15 »Experten« zusammen, um die Grundsätze der zukünftigen Militärpolitik der BRD zu beschließen. Ausgewählt wurden die Teilnehmer von Adenauers engstem militärischen Berater, General Gerhard Graf von Schwerin. Selbstverständlich war er Wehrmachtsgeneral gewesen. Er stand der »Zentrale für Heimatdienst« vor, der unmittelbaren Vorgängerorganisation des »Amts Blank«. Der von Schwerin zusammengerufene Kreis arbeitete mit der Denkschrift ein Dokument aus, das die Leitlinien der zukünftigen deutschen Streitmacht, ihre angestrebte Größe, ihre strategischen Aufgaben etc. skizzierte. Sie stellte auch die Forderung nach Stopp der »Diffamierung« von SS- und Wehrmachtssoldaten auf und verlangte die Freilassung der Kriegsgefangenen, sofern sie auf Grundlage »alter deutscher Gesetze« gehandelt hätten.
Nach dem Treffen im Kloster Himmerod wurde die »Zentrale für Heimatdienst« an Theodor Blank übertragen, der ihre Geschäfte ab dem 26. Oktober 1950 im »Amt Blank« fortführte und später der erste Verteidigungsminister der BRD werden sollte. Die Wahl fiel einerseits auf Blank, weil er zu Adenauers engsten Vertrauten zählte; andererseits, weil der ehemalige christliche Gewerkschafter als dem Militarismus unverdächtig verkauft werden konnte. Das war wohl auch nötig, angesichts des militärischen Personals, das Blank um sich versammelte und das pars pro toto für die ungebrochene Fortsetzung militärischer Karrieren, Traditionslinien und inneren Ethos von der Wehrmacht zur Bundeswehr steht.
Nazikontinuitäten
Beispielhaft dafür ist der Generalinspekteur der Bundeswehr und spätere Vorsitzende des Militärausschusses der NATO, General Adolf Heusinger. Er war unmittelbar an den operativen Planungen des Vernichtungskrieges in der UdSSR beteiligt und ab August 1942 der oberste »Koordinator« für »Bandenbekämpfung«, wie der brutale Kampf gegen vermeintliche und tatsächliche Partisanen euphemistisch genannt wurde. »Entschuldigt« wurde dies alles damit, dass er wohl vom Anschlag vom 20. Juli wusste, ohne jedoch Details zu kennen und vor allem ohne sich daran beteiligt zu haben. Er selbst wurde am 20. Juli verletzt und kurzzeitig verhaftet, bald aber wieder freigelassen. Seine Vergangenheit war ein offenes Geheimnis, das aber kaum interessierte. Ebenso wenig seine Verbindung zur »Organisation Gehlen«, dem späteren Bundesnachrichtendienst (BND). Noch in den 1960ern forderte die UdSSR seine Auslieferung als Kriegsverbrecher.
Heusinger stand nicht allein: Von den Ende 1956 aktiven 38 Generalen der Bundeswehr konnten 31 auf eine Generalstabslaufbahn in der Wehrmacht zurückblicken. 1959 waren von 14.900 Bundeswehr-Offizieren 12.360 bereits in der Reichswehr oder Wehrmachtsoffiziere gewesen, 300 Offiziere entstammten der Waffen-SS. Zum Kontrast sei auf die Kasernierte Volkspolizei/Nationale Verteidigungsarmee der DDR verwiesen: Zwischen 1948 und 1958 dienten bei ihr neun Wehrmacht-Generäle. Unter den mehr als 18.000 Offizieren waren 1956 nur noch rund 540 zuvor bei der Wehrmacht gewesen. Drei Jahre später, 1959, waren es noch 163. Bis 1964 reduzierte sich deren Zahl im aktiven Dienst auf 67. In der BRD kam dagegen noch 1979 jeder zweite der 215 aktiven Generäle und Admirale aus der Naziwehrmacht.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Avalon.red/IMAGO12.05.2025
Festival der Revisionisten
- imago/Becker&Bredel26.08.2020
Beim Verdrängen gestört
- ullstein bild09.01.2020
Rettungsdampfer für Hitlers Generalstab
Mehr aus: Geschichte
-
Anno … 24. Woche
vom 07.06.2025
Spätestens seit 1947 tagten die Zirkel aus Wehrmachtsgenerälen und westdeutschen reaktionären Politikern. Im Dezember 1948 beauftragte Konrad Adenauer Hans Speidel, eine geheime Studie über einen deutschen Beitrag zu einer europäischen Armee zu verfassen. Im November 1949 erhielt Adenauer den Manteuffel-Plan, in dem der Wehrmachtsgeneral die Aufstellung einer 600.000 Mann starken Armee für den Kampf gegen die UdSSR vorschlug.
Als Pilot der faschistischen »Legion Condor«, Heinz Trettner, 1964 Generalinspekteur der Bundeswehr wurde, kam gerade der heutige Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, auf die Welt. Dieser Mann vom Jahrgang 1964 fordert Kriegstüchtigkeit, Wachsamkeit und warnt vor großen militärischen Bedrohungen durch die Russen. Vor Militaristen wie Breuer muss man sich fürchten!
In den drei Westzonen und später in der BRD wurden mehrheitlich die alten Beamten im staatlichen Machtapparat übernommen. Exemplarisch die Weiterbeschäftigung von Globke als Staatssekretär, Filbinger als Ministerpräsident, Gehlen als Chef des neuen Geheimdienstes, Heusinger als Generalinspekteur der Bundeswehr.
Faschistische Kriegshelden wie Johannes Steinhoff waren und sind exemplarische Leitbilder der Bundeswehr mit ihrer Ausrichtung auf die Beseitigung der sozialistischen Länder und heute Russlands.
Für seine »Leistungen« und Vaterlandstreue wurde Oberst Steinhoff mit dem Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern dekoriert. Bereits 1952 wurde er Gutachter für Fragen der Luftkriegsführung im Amt Blank. Zudem nahm er als Berater an den Verhandlungen zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in Paris teil.
In der Bundesrepublik avancierte Steinhoff zum Inspekteur der Luftwaffe und wurde zum Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses berufen. Die Wirtschaft honorierte seine Lebensleistung mit dem Posten des Aufsichtsrates beim Flugzeugbauer Dornier.
Der ersten Bundesregierung unter Adenauer gehörten mehrere Mitglieder der NSDAP an. So wurde z. Bsp. Victor-Emanuel Preusker zum Bundesminister berufen und als Bundestagsabgeordneter gewählt. Preusker wurde am 1. Mai 1937 Mitglied der NSDAP (Mitgl.-Nr. 5.372.632). Seit 1933 war er Mitglied der SA und SS. Victor-Emanuel Preusker zog 1949 und 1953 für die FDP als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Wiesbaden und 1957 über die Liste der Deutschen Partei (DP) in Nordrhein-Westfalen in den Bundestag ein. Vom 23. April 1958 bis zum 4. Oktober 1960 war er Vizepräsident des Bundestages. Vom 16. Juli 1952 bis zum 1. Juli 1954 war Preusker auch Mitglied des Parlaments der Europäischen Gemeinde für Kohle und Stahl. Nach der Bundestagswahl 1953 wurde Preusker am 20. Oktober Bundesminister für Wohnungsbau unter Adenauer. Von 1958 bis 1971 war Preusker Präsident des Zentralverbands Deutscher Haus- und Grundeigentümer.
Bereits Ende August 1950 fanden Geheimverhandlungen statt, bei denen Bundeskanzler Adenauer eine westdeutsche »Bereitschaft zur Remilitarisierung« signalisierte, ohne das Kabinett und die deutsche Öffentlichkeit darüber zu informieren.
Der SPD-Politiker Carlo Schmid erklärte 1946: »Wir wollen unsere Söhne niemals mehr in die Kasernen schicken, und wenn noch einmal irgendwo der Wahnsinn des Krieges ausbrechen sollte, dann wollen wir eher untergehen und dabei das Bewusstsein haben, dass nicht wir Verbrechen begangen und gefördert haben. In einem wollen wir kategorisch sein: Wir wollen in Deutschland keinen Krieg mehr führen, und wir wollen darum auch keine Vorbereitungen treffen, die das Kriegsführen ermöglichen können, weder im politischen noch im wirtschaftlichen Sinne.«
Heute marschieren die Granden der SPD in der ersten Reihe der Kriegstreiber und sind Unterstützer der faschistischen Bandera- und »Asow«-Leute in der Ukraine!
Konrad Adenauer erklärte am 19. März 1953: »Was östlich von Elbe und Werra liegt, sind Deutschlands unerlöste Provinzen.« Wenige Jahre nach der Gründung der Bundeswehr sah sich das deutsche Kapital für den nächsten Waffengang ausgerüstet. 1961 muss von uns gewonnen werden, verkündete Adenauer im Juli 1959. Auf dem CDU-Parteitag 1961
betonte Eugen Gerstenmaier, dass eine »Wiedervereinigung« nur in Frage kommt, wenn
ganz Deutschland die gleiche Verfassung erhält wie die Bundesrepublik. Wenige Wochen
später meldete Adolf Heusinger an Kennedy, sieben westdeutsche Divisionen stehen bereit, um »unverzüglich jede Annexion auszuführen«.
Die Sicherung der Staatsgrenze der DDR am 13. August 1961 verhinderte den »Einzug der Bundeswehr durch das Brandenburger Tor unter klingendem Spiel« und »mit Girlanden und
wehenden Fahnen«, wie dem Industrie-Kurier vom 2. September 1961 zu entnehmen ist.
Der aggressive Kurs der Bundesregierung fand durch die USA offenbar keine Unterstützung. Nach so einem ersten Erfolg »würde Westdeutschland an die Grenzen von 1937 denken können, und dann immer so weiter«. Konstatierte in Paris am 15. September 1961 »La Tribune des Nations«. Die Grenzsicherung verhinderte diesen ersten Erfolg und sicherte den Frieden. Mit den Konterrevolutionen endete die längste Friedensperiode in Europa und begünstigt heute völkische Nationalbewegungen. In der existenziellen Krise versucht das Finanzkapital erneut eine Machtpolitik zu betreiben, die den Interessen der Bevölkerung entgegensteht.