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Aus: Ausgabe vom 07.06.2025, Seite 11 / Feuilleton
Blues

Raus aus dem Sessel

Blues-Gipfel: Taj Mahal und Keb’ Mo’ treffen sich auf der Veranda
Von Andreas Schäfler
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Sie haben den Blues schon etwas länger: Keb’ Mo’ und Taj Mahal

Vor acht Jahren gab’s für die erste Kollaboration von Taj Mahal und Keb’ Mo’ fast zwingend einen Grammy (»bestes zeitgenössisches Bluesalbum«), von welch begehrter Trophäe jeder für sich bereits mehrere Exemplare sein eigen nannte. Nun kamen sie für das neue Album »Room on the Porch« wieder zusammen, an ihrem Lieblingsplätzchen auf der Veranda, wo jede Menge hübscher Gitarren plus zwei Schaukelstühle nur auf sie gewartet hatten.

Taj Mahal wie Keb’ Mo’ sind Synonyme für den Blues schlechthin, und das seit locker fünf bzw. vier Dekaden. Ersterer wurde 1942 in New York geboren – der Vater Jazzmusiker jamaikanischer Herkunft, die Mutter Mitglied im obligaten Gospelchor – und wuchs als Henry St. Claire Fredericks Jr. in Massachusetts auf. Als ihm eines Nachts der berühmte indische Tempelbau im Traum erschien, benannte er sich gänzlich unbescheiden nach eben diesem Weltwunder um. Der brave Ackerbau- und Tiermedizinstudent hatte da bereits den Country Blues von Muddy Waters und Robert Johnson entdeckt und wurde als gelehriger schwarzer Troubadour und fast zwei Meter große Frohnatur schon bald sein eigenes Monument. Mitte der Sechziger zog er nach Los Angeles und gründete mit einem gewissen Ry Cooder die Rising Sons. Unter eigenem Namen (und oft mit dem genialen Jesse Ed Davis an der Lead-Gitarre) entstanden etliche moderne Bluesklassiker, die neben den handelsüblichen Popelementen auch die Einsprengsel von Calypso, Reggae und Soca hervorragend vertrugen.

Keb’ Mo’, 1951 als Kevin Moore in ­L. A. geboren, war auch so ein Robert-Johnson-Adept. Ein paar Jahre tingelte er in der Band des schwarzen Hippiegeigers Papa John Creach durch die Westcoast-Szene, reicherte seinen Stil zunehmend mit Folk-, Country- und Souleinflüssen an und fand auch auf der Gitarre zu einer expressiven Solohandschrift. Keb’ Mo’ profitierte wie Mahal vergleichsweise spät, aber nachhaltig vom Bluesboom, der im Kielwasser erfolgreicher Rockmusiker wie den Stones, Clapton und Hendrix stil- und szenebildend um sich griff und schließlich auch das Americana-Phänomen hervorzubringen half. In der siebenteiligen TV- und Audiodoku »The Blues«, die Martin Scorsese 2003 produzierte, sind jedenfalls alle beide vertreten, als zeitgenössische Bluesexponenten neben ­B. B. King, Muddy Waters und anderen verdienten Altvorderen.

Für die aktuelle Reunion haben sie zehn Bluesnummern in verschiedensten Variationen aufgefahren: Ob mit Countryanleihen, Karibiktouch oder entschiedenem Afrikadrall versehen – allem, was TajMo anfassen, verleihen sie ihre markante Präsenz als welt-, wort- und immer auch sehr zugewandte Blues-Griots. Das erinnert mitunter sogar an Olu Dara (Vater des Rappers Nas), der sich vor Jahren unvermittelt für zwei Alben vom Freejazzkornettisten zu einem fabelhaften Bluessänger häutete, dessen Band aber betont funky und ungleich ausgefuchster ans Werk ging als die konventionelle Combo, die TajMo hier im Rücken haben.

Manchmal driftet »Room on the Porch« vor lauter Schaukelstuhlentspanntheit schon fast ins Belanglose hinüber. Oder kann man so viel Harmonie, geballte Zuversicht und gute Laune heutzutage einfach nicht mehr verkraften? Die zweieinhalb radiotauglichen Schnulzen, die den beiden Meistern hier unterlaufen, verzeiht man ihnen gern. Denn der große Rest kommt so lüpfig daher, wie man das in der Schweiz nennt, dass Mitwippen im Takt die allermindeste Reaktion ist. Dann aber hält es einen nicht mehr länger im Sessel, und so steppt man in TajMos Gefolge ein sommerlich gestimmtes Tänzchen auf die Verandabretter.

Taj Mahal & Keb’ Mo’: »Room on the Porch« (Concord/Universal)

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