Gegründet 1947 Sa. / So., 07. / 8. Juni 2025, Nr. 130
Die junge Welt wird von 3011 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 07.06.2025, Seite 8 / Inland
Palästina-Solidarität an der Uni

»Wir müssen wieder für die Unterdrückten aufstehen«

Hessen: Palästinasolidarischer Protest gegen Podiumsabend des AStA der Goethe-Universität. Ein Gespräch mit Aruna Bouhired
Interview: Marc Bebenroth
Goethe_Universitaet_83597424.jpg
Eingang zum Hauptgebäude, Campus Westend (Frankfurt am Main)

An der Frankfurter Goethe-Universität hat am Donnerstag abend eine Podiumsdiskussion unter der Überschrift »Demokratisierung der Universität« stattgefunden, die der Allgemeine Studierendenausschuss veranstaltete. Weshalb haben Sie protestiert?

Unter dem Titel »Freiheit für Palästina, Demokratie für die Goethe-Uni« haben wir eine Kundgebung gemacht, weil einige der für das Podium angekündigten Personen nicht über Demokratisierung an der Hochschule sprechen sollten: Sie sind selbst auch Grund dafür, dass echte Demokratisierung ausbleibt, da sie Repression gegen palästinasolidarische Studierende und Mitarbeitende ausüben.

Wie das?

Landeswissenschaftsminister Timon Gremmels von der SPD war ebenso da wie Vertreter des AStA. Grund war der Neubau eines Studierendenhauses.

… das vom Land gebaut wird und von der Uni beantragt wurde. Mitglieder des AStA waren nach Angaben der Universität in die jeweiligen Planungsschritte eingebunden.

Der AStA ist »antideutsch« (proisraelisch, jW) ausgerichtet. Er erlaubt uns praktisch nicht, mit Kufija oder Palästina-Flaggen oder Kunstwerken von palästinensischen Personen im Studihaus aufzutreten. Gremmels war im März 2024 in Israel gewesen, so wie auch Vizepräsidentin Sabine Andresen. 2025 wurde die Kooperation zur Universität Haifa ausgeweitet, neben der in Tel Aviv und Jerusalem. Letztere befindet sich auf okkupiertem Gebiet. Die Universität Haifa hat enge Verbindungen zur israelischen Armee. Gegen das alles sowie gegen den AStA richtete sich unser Protest.

Was wurde auf dem Podium behandelt?

Alex Demirović (Professor sowie »Senior Fellow« der Rosa-Luxemburg-Stiftung, jW), Vizepräsidentin Andresen, Minister Gremmels und Vertreter des AStA sollten diskutieren. Es ging kaum um Inhaltliches. An Maßnahmen zur Demokratisierung brachte Andresen die Idee einer studentischen Vertretung auf Leitungsebene ein. Kein Wort zum Genozid in Palästina. Nichts zur Militarisierung hierzulande oder der Verwässerung von Zivilklauseln.

Wie haben Sie sich bemerkbar gemacht?

Als es dann losging, haben wir die Palästina-Flaggen ausgepackt und auch ein paar kritische Fragen reingeworfen. Wir riefen »Blut, Blut an euren Händen« oder »Hoch die internationale Solidarität«. Enttäuschend war, dass am Schluss Demirović sich nicht sonderlich für die Anliegen oder auch die Forderungen einsetzte, obwohl wir ihn zuvor darum gebeten hatten.

Weshalb hatten Sie sich mehr erhofft?

Er steht in der Tradition der Frankfurter Schule und arbeitet zur Kritischen Theorie, die nicht nur gegen eine Essentialisierung von Jüdinnen und Juden und die Grausamkeiten im Holocaust einstehen müsste und sollte, sondern historisch-materialistische Analyse leisten muss anhand der neuen historischen Verhältnisse, unter denen wir jetzt leben.

Was heißt das mit Blick auf Palästina?

Wir müssen wieder für die Unterdrückten aufstehen, nämlich die Palästinenserinnen und Palästinenser. Und das hat Demirović nicht hingekriegt, obwohl es durchaus Vertreter der Kritischen Theorie gibt, die das schaffen, wie etwa Angela Davis, Schülerin von Herbert Marcuse.

Welchen Schluss ziehen Sie aus Ihrer Aktion?

Wir konnten mit der Kundgebung, aber auch den Parolen und den Interventionen zeigen, dass es Palästina-Solidarität auf dem Campus gibt. Die Antideutschen konnten im Grunde kein einziges Argument gegen uns richten. Sie haben ohnehin keine, sondern können nur Kufijas als »Geschirrtücher« verächtlich machen. Unibeschäftigte zeigten sich solidarisch, ebenso der SDS. Der Minister traute sich nur, anzumerken, dass die Kriegführung Israels in Palästina nicht verhältnismäßig sei. Die Vizepräsidentin hat uns ein Gespräch angeboten – nach anderthalb Jahren Genozid sowie Diffamierung von Studierenden in der Palästina-Bewegung. Das sind verbale Zugeständnisse. Aber die Bewegung muss weitergehen.

Aruna Bouhired (Name geändert) ist aktiv bei »Students 4 Palestine Frankfurt« und ist an der Goethe-Universität studentisch beschäftigt

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

Ähnliche:

                                                                   junge Welt stärken: 1.000 Abos jetzt!