Union kennt keine Verwandten
Von Kristian Stemmler
Vom Etikett sollte man sich nicht täuschen lassen. Die beiden C-Parteien, die sich gerne als Streiter für den Schutz von Ehe und Familie inszenieren, geben darauf nichts, sobald es um ihre repressive Asylpolitik geht. Am Freitag hat der Bundestag die von der Regierung geplante Aussetzung des Familiennachzugs für Geflüchtete debattiert. Mit dem Kampf gegen »illegale Migration« rechtfertigte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) in der ersten Lesung einen Gesetzentwurf der Koalition aus Union und SPD. Dieser sieht vor, das Recht auf das Nachholen von direkt verwandten Angehörigen für sogenannte subsidiär Schutzberechtigte zwei Jahre lang abzuschaffen. Der Gesetzentwurf wird von Verbänden, Experten und der Opposition vehement kritisiert.
Obwohl die Zahl der Asylanträge seit Monaten zurückgeht, verwies Dobrindt erneut auf eine angebliche Überforderung der Kommunen. Die Integrationsfähigkeit des Landes habe »schlicht eine Grenze«. Städte, Gemeinden und Landkreise seien »am Limit«. Die Aussetzung des Familiennachzugs sei daher nur eine von vielen Einzelmaßnahmen, mit denen die Zahl der Asylbewerber reduziert werde, sagte der Minister. Es gebe »nicht den einen Schalter«, den man umlegen könne, um die Probleme zu lösen. Die Aussetzung des Familiennachzugs wirke direkt, weil 12.000 Menschen im Jahr weniger nachgezogen würden. Die Zahl bezieht sich auf das Kontingent von 1.000 Angehörigen, die aktuell noch pro Monat im Rahmen des Familiennachzugs kommen dürfen.
Für die SPD begründete die Abgeordnete Rasha Nasr, deren Eltern aus Syrien stammen, warum ihre Fraktion trotz erheblicher Bedenken dem Gesetzentwurf zustimmen will. Die Aussetzung des Familiennachzugs sei nun einmal »Teil eines größeren Kompromisses«, erklärte sie. Dennoch wolle sie auch zur Sprache bringen, welche Folgen das für die Betroffenen habe. Es gehe um Familien, die nun »für lange Zeit voneinander getrennt bleiben«. Der Familiennachzug sei ein »wesentlicher Baustein gelingender Integration«. Sie setze darauf, dass die im Gesetz vorgesehene Härtefallregelung »flexibel« angewandt werde.
Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, bezeichnete den Gesetzentwurf als »antichristlich und familienfeindlich«. Dass die großen Kirchen zu den schärfsten Kritikern des Vorhabens zählten, scheine Dobrindt in seinem »Abschottungswahn« egal zu sein. Bereits von 2016 bis 2018 sei der Familiennachzug ausgesetzt worden. Dies habe Menschenleben gekostet, erklärte Bünger, da Geflüchtete dann versucht hätten, etwa über die lebensgefährliche Mittelmeerroute die BRD zu erreichen. An diese Politik der früheren Koalition von Union und SPD werde angeknüpft, es werde wieder Tote geben. Der Gesetzentwurf versperre »einen der letzten legalen Wege« für Geflüchtete, sagte die Linke-Politikerin.
Schahina Gambir von Bündnis 90/Die Grünen mahnte ebenfalls, dass das Aussetzen des Familiennachzugs »dramatische Folgen« für viele Familien haben werde, »die vor Krieg und Verfolgung geflohen sind«. Wenn subsidiär Schutzberechtigte ihre Angehörigen nicht nachholen könnten, verhindere das Integration. Sie hätten »keine Chance, richtig anzukommen«, sagte Gambir.
Sie erwarte von einer Partei, »die sich christlich nennt, ein klares Bekenntnis zur Familie – zu jeder Familie«. Das Aussetzen des Familiennachzugs sei »Symbolpolitik auf dem Rücken der Schwächsten und entbehrt jeder Menschlichkeit«. Es handle sich tatsächlich um ein »Konjunkturprogramm für Schleuser«, Menschen würden auf gefährliche Fluchtrouten gezwungen, argumentierte Gambir. Es sei »unverschämt«, dass Dobrindt das als Steuerung bezeichne.
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