Jugend ans Gewehr!
Von Arnold Schölzel
Die Koalition ist im Rüstungswahn, aber noch fehlt menschliches Kanonenfutter. Ausweg: Wehrpflicht für alle. Am Freitag bezifferte ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums die für einen Krieg erforderliche Bundeswehrgesamtstärke auf 460.000 Soldatinnen und Soldaten einschließlich Reservekräfte. Am Donnerstag hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) noch von 50.000 bis 60.000 zusätzlich erforderlichen aktiven Soldaten gesprochen und die Wehrpflicht ins Spiel gebracht. Am selben Tag äußerte Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: »Ich hoffe, dass es gelingt, Deutschland mit einer Freiwilligenarmee verteidigungsfähig zu machen«. Das sei aber »sehr anspruchsvoll«. Auf die Nachfrage, wieviel Zeit dafür noch bleibe, erklärte er: »Im Grunde keine. Aber ich habe den Eindruck, dass der Verteidigungsminister mit Hochdruck an diesen Fragen arbeitet.«
Bundeswehrverbandschef André Wüstner legte am Freitag im Deutschlandfunk nach und riet der Koalition, schon jetzt die Weichen für die Wehrpflicht zu stellen. Er bezweifelte, dass es nur auf der Grundlage von Freiwilligkeit gelingen werde, bis zu 60.000 zusätzliche Rekruten zu gewinnen. Er könne fast prognostizieren, dass man in der Mitte der Legislaturperiode prüfen und gegebenenfalls umschalten müsse auf eine Art Wehrpflicht: »Jetzt muss man das schon ausplanen, vorbereiten.« Angesichts der Bedrohungslage sei Tempo nötig, um von 181.000 aktiven Soldaten auf eine Zahl von 260.000 zu kommen.
In der Süddeutschen Zeitung vom Freitag flankierte der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Ralph Tiesler die Suche nach Soldatinnen und Soldaten fürs Schlachtfeld mit der Ankündigung, rasch neue Schutzräume für die Bevölkerung zu schaffen. Weil neue Bunker viel kosten, sei eine schnellere Lösung nötig: »Daher wollen wir Tunnel, U-Bahnhöfe, Tiefgaragen und Keller öffentlicher Gebäude zu Schutzräumen ertüchtigen.« So könne »schnell eine Million Schutzplätze« geschaffen werden. Noch im Sommer werde ein Schutzraumkonzept vorgestellt. Begründung: »Lange war in Deutschland der Glaube weitverbreitet, dass Krieg kein Szenario ist, auf das wir uns vorbereiten müssen. Das hat sich geändert. Uns treibt das Risiko eines großen Angriffskriegs in Europa um.« In den kommenden vier Jahren würden mindestens zehn Milliarden Euro benötigt, in der nächsten Dekade mindestens 30 Milliarden Euro.
Ergänzend ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Forsa für RTL/N-TV am Donnerstag: 70 Prozent der Befragten sind für die Erhöhung der »Verteidigungs«ausgaben, 59 Prozent für die Wehrpflicht. Allerdings: 61 Prozent der unter 30jährigen sind gegen sie – in allen anderen Altersgruppen fand sich eine Mehrheit dafür. Scharfe Kritik an Pistorius’ Äußerungen kam von der Bundestagsabgeordneten Desiree Becker (Die Linke): »Die Regierung rüstet auf und junge Menschen sollen es ausbaden«, erklärte sie in einer Pressemitteilung. »Genau die Generation, die in der Pandemie im Stich gelassen wurde, soll bald zum Waffendienst verpflichtet werden.« Die freiwillige Dienstpflicht sei »nur die Vorstufe für den Zwangsdienst.«
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (8. Juni 2025 um 18:24 Uhr)Der Westen hat in den vergangenen Jahrzehnten alles getan, um sich das nach Westen strebende Russland als Feind zu erhalten. Wenn man jemanden stets als Feind behandelt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass so ein jemand auch tatsächlich zum Feind wird. In der zweiten Reihe der russischen Politik ist diese vom Westen provozierte Feindschaft bereits sichtbar. Das nüchtern-rationale Kalkül Putins wird diese vom Westen provozierte russische Konfrontationsstellung nicht unendlich lange eingrenzen können. Der Bruch der Minsker Vereinbarungen durch den Westen, die faktenwidrige Darstellung Russlands als Aggressor nach dem georgischen Angriff auf Südossetien 2008 oder die dubiose Begründung für den deutschen Eintritt in den syrischen Bürgerkrieg, das sind nur ein paar Beispiele für die Beugung des Völkerrechts durch den Westen. Jetzt also die schwammige neue Bundeswehrsollstärke von »460.000 Soldatinnen und Soldaten einschließlich Reservekräfte«, obwohl der 2+4-Vertrag nur 370.000 »Mann« erlaubt. Auch die Bundeszentrale für Politische Bildung gibt der Ukraine für völkerrechtlich dubioses Vorgehen Schützenhilfe, wenn die BPB seit 2022 propagiert: »Seit 1949 bestimmt das Völkerrecht, dass Partisanen wie rechtmäßige Kämpfer (man spricht von «legalen Kombattanten») behandelt werden müssen.« Für den unbedarften Leser klingt das so, also ob Partisanen per se legale Kombattanten seien. Das ist aber falsch. Denn legal sind Kombattanten nur, wenn sie u. a. ihre Waffen offen tragen. Wer seine Waffen – wie jüngst die Ukraine gegen russische Militärflughäfe – zivil getarnt führt, ist kein legaler Kombattant, sondern ein illegaler Kombattant. Legal oder illegal, das ist dem Westen eben sch***egal, solange nur der eigene Vorteil stimmt. Es ist unzumutbar, sich als Rekrut so einem völkerrechtswidrigen Willkürregime unterwerfen zu müssen. Der soldatische Eid, »das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen« gebietet es vielmehr, den Wehrdienst zu verweigern.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Oliver S. aus Hundsbach (8. Juni 2025 um 14:18 Uhr)Der neue Wehrbeauftragte Henning Otte sagte jüngst in einem Interview mit »Die Zeit«: »Die Aufgabe der Politik ist dabei, klar und wahr zu sagen, wie groß die Bedrohungslage ist.« Wodurch sich diese Bedrohungslage ergibt, hat er nicht gesagt! Vielleicht dadurch, dass die deutsche Industrie russische und ukrainische Rohstoffe und Ressourcen braucht, um konkurrenzfähig zu bleiben? Die Felder, die auf den Drohnenaufnahmen – übersät mit russischen und ukrainischen Körperteilen – zu sehen sind, wurden zum großen Teil an westliche Agrarkonzerne »verpachtet«! Es ist zu hoffen, dass ein großer Teil derjenigen, die zur Verteidigung der »Freiheit des Vaterlandes« zwangsverpflichtet werden sollen, diesen Zwangsdienst konsequent verweigern!
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (7. Juni 2025 um 21:20 Uhr)Rüsten, rüsten, rüsten! Jawoll, Herr Pistolerius! Aber wer soll all die vielen Panzer dann wieder steuern Richtung Don und Wolga! Deshalb mindestens genauso dringend: Zeugen, zeugen, zeugen! Und viele kriegstüchtige Soldaten und Soldatinnen produzieren, damit auch künftig die Aktienkurse und Profite von Rheinmetall und Co. nur eine Flugbahn nehmen werden: immer weiter steil nach oben. Das Mutterverdienstkreuz, Ihr tapferen deutschen Frauen an der Heimatfront, soll Euch auch dieses Mal wieder gewiss sein.
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