Gegen den sozialen Krieg
Von Dieter Reinisch, Wien
Keinen Cent, keine Waffe, kein Menschenleben für den Krieg. So lautet der Titel einer Petition, die Hunderte linke Politiker und Gewerkschafter aus ganz Europa unterzeichnet haben. Die Arbeiterklasse dürfe nicht den Preis für die Kriegsvorbereitungen der Staats- und Regierungschefs zahlen – sei es mit »Steuern, Kürzungen unserer Sozialleistungen und Lebensstandards« oder »mit unserem Blut«, heißt es darin.
»Wir sehen uns mit einer Verschärfung einer multiplen Krise konfrontiert – des Kapitalismus selbst, der die Zukunft der Menschheit gefährde; dem bevorstehenden ökologischen Zusammenbruch; und der zunehmenden Möglichkeit eines Weltkriegs und sogar eines Atomkriegs.« Dies seien keine neuen Probleme, aber sie würden durch die zweite Trump-Präsidentschaft und den Aufstieg der extremen Rechten in ganz Europa beschleunigt.
»Schon jetzt führt die herrschende Klasse Europas einen Stellvertreterkrieg in der Ukraine, schon jetzt unterstützt sie den israelischen Völkermord am palästinensischen Volk«, heißt es weiter. Die Erklärung fordert dagegen die »Einheit der Völker Europas, Frieden statt Krieg, Gerechtigkeit und Gleichheit statt Ausbeutung«.
Unter den Erstunterzeichnern sind namhafte linke Politiker und Gewerkschafter, wie der ehemalige Labour-Chef Jeremy Corbyn, der ehemalige österreichische Sozialminister Erwin Buchinger, der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis, die irischen Politiker Clare Daly oder der slowakische EU-Abgeordnete Ľuboš Blaha von der sozialdemokratischen Smer.
Aus Deutschland zählt der Kovorsitzende der Fraktion der Vereinigten Europäischen Linken im Europarat und ehemalige Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko (BSW) zu den Erstunterzeichnern: Wichtig sei, dass es neben der Forderung nach Diplomatie auch »eine klare Orientierung auf die arbeitenden Menschen gibt, sich dem Kriegskurs entgegenzustellen«, betonte Hunko im jW-Gespräch. Für ihn sei bei der Konstellation der Unterzeichner die starke Beteiligung aus Großbritannien, Frankreich und Spanien bemerkenswert. Die Petition wird etwa von der spanischen Linkspartei Podemos unterstützt: »Ein Großteil der relevanten Antikriegsstimmen« zähle zu den Unterzeichnern, so Hunko.
Ausgegangen ist die Petition von Jérôme Legavre, Abgeordneter von La France insoumise, und dem französischen Gewerkschafter Stéphane Jouteux. Ihren Ursprung hat sie in den Wochen nach Februar 2022, als die Initiative »Gegen Krieg und gegen den sozialen Krieg« gegründet wurde. Diese habe seither Konferenzen in Berlin, Paris, Oslo und Belgrad abgehalten, an denen jeweils mehrere tausend Menschen teilgenommen haben: »In Paris sprach ich vor 2.500 Menschen«, berichtet Hunko. Das nächste Treffen wird am 4./5. Oktober abermals in Paris stattfinden.
Die Erklärung rufe Gewerkschafter und Beschäftigte in den Betrieben zum Widerstand gegen die Kriegspolitik auf. Sie stehe damit »nicht im Widerspruch zur Diplomatie«, so Hunko. Der Appell richte sich an die Arbeiterklasse, gerade, weil die Diplomatie zusehends versage.
Ein anderer Unterzeichner ist Oliver Jonischkeit, Bundessekretär des Gewerkschaftlichen Linksblocks in Österreich. Gegenüber jW betonte er: »Während es EU-weit zu Sozialabbau und zu Verschlechterungen bei den Pensionen kommt, sorgt die weitere Militarisierung für große Profite der Kriegsindustrie«, deshalb lehne er, wie der Weltgewerkschaftsbund, »die massive Aufrüstung der EU entschieden ab«.
Auch die Komintern-Arbeiterkammerrätin Selma Schacht ist eine Erstunterzeichnerin aus Österreich. In den Statuten des Österreichischen Gewerkschaftsbunds seien »die Wahrung der Neutralität, der Antifaschismus und die Sicherung des Weltfriedens als Kernaufgaben festgeschrieben«, sagte sie im jW-Gespräch: »Die Gewerkschaftsspitzen treten sie mit Füßen, wenn sie die Hochrüstung und die Militarisierung der Gesellschaft bei gleichzeitigem drastischen Sozialabbau mittragen und so gegen die Interessen der Arbeitenden agieren.« Es gebe jedoch viele Gewerkschafter, die das nicht hinnehmen wollen, wie der Aufruf zeige, so Schacht.
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