»Die aktuelle Regierung verhält sich enttäuschend«
Interview: Thorben Austen
Während das israelische Militär seine Offensive gegen die Palästinenser in Gaza eskaliert, haben verschiedene Gruppen in Guatemala im Mai die Staatsgründung Israels gefeiert. Es gab Märsche mit Tausenden Teilnehmern, ganze Schulklassen nahmen teil. Wer organisiert diese Aktivitäten?
Roxana Gramajo: Das geht zurück auf einen Parlamentsbeschluss von 2018, der den 14. Mai, Tag der Staatsgründung Israels, zum Tag der »Israelisch-Guatemaltekischen Freundschaft« erklärt hat, daher finden solche Märsche jährlich im Mai statt. Das absurde ist: Bei diesen Veranstaltungen wird erzählt, Israel feiere seine Unabhängigkeit von 1948. Israel war doch nicht besetzt, existierte vor 1948 als Staat nicht und entstand auf dem Gebiet Palästinas. Diese Märsche werden überwiegend getragen von evangelikalen Kirchen und evangelikalen Privatschulen, in denen die Gründung Israels eine zentrale Rolle im Lehrplan spielt, aber auf einer rein religiösen Ebene, die sich am Alten Testament orientiert. Die evangelikalen Kirchen sind sehr mächtig und hatten großen Einfluss auf rechte Regierungen der vergangenen Jahre.
Was können Sie über Israels Unterstützung für das guatemaltekische Militär während des Bürgerkrieges 1960–1996 sagen?
R. G.: Als die USA 1977 aufgrund öffentlichen Drucks ihre Waffenlieferungen an Guatemala vorübergehend einstellen mussten, sprang Israel ein, schickte Waffen und Militärberater. Besonders intensiv war diese Hilfe 1982 und 1983 während der Diktatur von Efraín Ríos Montt, selbst ein Evangelikaler. In seine Amtszeit fielen die schlimmsten Massaker an der indigenen Bevölkerung. Montt selbst wies auf die Waffenlieferungen aus Israel hin und lobte die Effektivität der Waffen. Israelische Militärberater trainierten guatemaltekische Soldaten in Folter und Entführungen, waren in die Massaker an der indigenen Bevölkerung involviert. Zudem richtete Israel ein Rechenzentrum ein, mit dem Strom- und Wasserverbrauch der städtischen Haushalte überwacht wurde. War dieser Verbrauch gemessen an der Bewohnerzahl überdurchschnittlich hoch, zog man daraus Rückschlüsse auf Verstecke der Guerilla. Zahlreiche Zivilisten und tatsächliche oder vermeintliche Guerilleros wurden auf Grundlage dieser Daten massakriert. Heute ist der Krieg in Guatemala zu Ende, aber die guatemaltekische Armee lässt weiter Soldaten in Israel ausbilden. Was in Gaza und im Westjordanland geschieht, ist das gleiche, was in den 1980er Jahren hier passierte.
Wie wirkt sich das politische Klima in Guatemala auf Ihre Arbeit als palästinensische Vereinigung aus?
Jamal Hadweh: Wir arbeiten in Guatemala mit Opfern des Völkermordes im Bürgerkrieg und anderen gesellschaftlichen Gruppen gut zusammen, machen Demonstrationen und Veranstaltungen in der Hauptstadt. Es gibt seit 150 Jahren eine palästinensische Gemeinde in Guatemala. Das Problem ist: Von der guatemaltekischen Rechten wird aus dem politischen Konflikt ein Religionskonflikt gemacht. Diese Leute hören das Wort »Israel« und sehen es als das Land Gottes, als das in der Bibel versprochene Land. Dass es uns um die Frage nach Zugang zu Land auch für die Palästinenser und um unsere Menschenrechte geht, verstehen viele in Guatemala nicht. Das erschwert unsere Arbeit.
Erwarten Sie Veränderungen von der Regierung von Bernardo Arévalo?
J. H.: Sie verhält sich enttäuschend, nicht wie andere lateinamerikanische Regierungen. Guatemala hat selbst den Völkermord erlitten, weiß, wie das ist, und die aktuelle Regierung ist keine rechte Regierung. Aber sie steht unter Druck, als im vergangenen Jahr Guatemala in der UNO mit 142 Ländern für die allgemeinen Rechte Palästinas stimmte, gab es sofort großen Protest von der Rechten, Anrufe beim Minister, Protestschreiben etc.
Jamal Hadweh ist Vorsitzender der Palästinensischen Vereinigung Guatemala
Roxana Gramajo ist aktiv in der Palästina-Solidarität in Guatemala
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