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Aus: Ausgabe vom 02.06.2025, Seite 16 / Sport
Fußball

Das Kollektiv entscheidet

Paris Saint-Germain besiegt im Finale der Champions League spektakulär Inter Mailand
Von André Dahlmeyer
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Vor dem Sieg liegt nicht der Ball – er fliegt

Über Paris lacht die Sonne, über Internazionale Milano die ganze Welt. Was am Sonnabend in der Münchener Allianz-Arena beim Champions-League-Finale zwischen Paris Saint-Germain (PSG) und Inter Mailand passierte, war starker Tobak. Beide Elfen und deren Fans werden es wohl so schnell nicht vergessen. Die Pariser wollten im x-ten Anlauf (und zweiten Finale) endlich den begehrten Henkelpott holen – und zugleich das seltene Triple gewinnen. Der Traum des Triple war für Inter längst gestorben, im Halbfinale der Coppa Italia waren die Nerazzurri von Lokalrivale AC Milan verdroschen worden. Dieser Tage ging außerdem das Projekt Titelverteidigung in die Binsen, am Ende hatte Napoli einen Punkt mehr abgeheftet, gewann den Scudetto. Anfang des Jahres hatte Inter bereits das Finale der Supercoppa verloren (wiederum gegen Milan). Sie spielten eine klasse Saison, doch gegen Ende ging den Lombarden der Treibstoff aus.

Der Fußballgourmet freute sich auf ein Finale zwischen Franzosen und Italienern – hat es ja erst einmal gegeben. Und wie zu Gründerzeiten des Wettbewerbs standen sich zwei echte Landesmeister gegenüber. Für Internazionale ging es darum, die Saison zu retten. Hatte Simone Inzaghi nicht bis dato, seit er den Schleudersessel bei Inter übernahm, jedes Jahr einen Titel gewonnen? Im siebten Champions-League-Finale des Klubs sollte nun endlich der vierte Pott her.

Was wir zu sehen bekamen, war eine einzige Demonstration der Überlegenheit, vom Anpfiff an bis zur Schlusssekunde. PSG spielte, wie aus einem futuristischen Balltretlehrbuch einstudiert. Geschrieben und in die Köpfe trepaniert hatte den Schinken Trainer Luis Enrique, der bessere Josep Guar­diola. Beide waren 1992 die Stars des spanischen Olympiateams (Gold). Enrique, wie Guardiola ein Bewunderer des argentinischen Trainers Marcelo Bielsa, hat nun eindrucksvoll belegt, dass Bielsa aktueller denn je ist, dass sich dessen Ideen sogar noch weiter vervollkommnen lassen.

Zwei Milliarden US-Dollar hatten die Kataris einst in den Hauptstadtklub PSG gepumpt, doch keinen Blumenpott gewonnen. Als die Weltstars einer nach dem anderen den Verein verließen, lehrte Enrique seinen hungrigen Schutzbefohlenen, wie man als Kollektiv auftritt. Kylian Mbappé war der letzte Bremser gewesen. Er verteidigte nicht, gab praktisch keine Assists. Was nützt dem jetzt in seinem ersten Jahr bei Real Madrid kickenden Vizeweltmeister die Pichichi-Trophäe? Er traf dreimal im letzten Match gegen Barça, die Katalanen gewannen dennoch, auch den Titel. Im WM-Finale in Katar hatte er dreimal getroffen, Weltmeister wurde Argentinien.

PSG spielten mit dem überforderten Gegner Katz und Maus. Überfallartige Attacken, sofortiges Pressing bei Ballverlust, Todeskonter en masse. Hochästhetische Präzisionsmechanik. Zehntausende Italiener waren nach München gepilgert und sahen mit tellergroßen Augen einen Klassenunterschied in der ersten Halbzeit (2:0). Nach dem Wechsel kein Aufbäumen bei den Italienern, niente, nun waren es zwei Klassen (5:0). Inzaghi hatte das Mittelfeld mit fünf Spielern zugestellt. Saß der Steckpass nicht, flogen ihnen die Bälle in die Rücken, wo sie von einer kreischenden Dreierkette erwartet wurden, aus deren Augenpaaren das pure Grauen troff. Was wir sahen, war in dem Moment, als wir es sahen, noch so etwas wie eine verdrehte Gegenwart. Und gleichwohl die Zukunft des Fußballs. Selten hat man den in so formschöner Vollendung gesehen, selten einen derart hilflosen Gegner, selten ein Team, das die Philosophie des Trainers so perfekt umsetzt.

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