Gerechtigkeit zum 40. Jubiläum
Von Elias Korte, Cali
Die systematische Vernichtung der linken kolumbianischen Partei Unión Patriótica (UP) ist ein Genozid. Das hat das Parlament des Landes am Dienstag in Form eines Gesetzes beschlossen. Der Beschluss markiert einen bedeutenden Schritt in der Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der jüngeren kolumbianischen Geschichte, in dem staatliche Organe und Paramilitärs gemeinsam einen Teil der linken Bewegung auslöschten. 1985 war die UP im Rahmen des ersten Friedensdialogs zwischen der FARC-Guerilla und Regierung gegründet worden. Auf ihr ruhten die Hoffnungen vieler Linker, sich legal politisch engagieren zu können. Doch der Versuch, sich in das System zu integrieren, wurde mit heftiger Gewalt beantwortet: Über 6.500 Mitglieder – darunter Präsidentschaftskandidaten, Parlamentarier, Bürgermeister und Aktivisten – wurden verfolgt, gefoltert und zu großen Teilen ermordet.
Das neue Gesetz sieht einen nationalen Gedenktag, die Aufnahme der UP-Geschichte in den Schulunterricht, ein Gedenkzentrum zur politischen Gewalt gegen Linke sowie institutionelle Reformen zur Garantie der Nichtwiederholung vor. Vorausgegangen war ein Urteil des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Januar 2023. Darin wurde festgestellt, dass Kolumbien systematisch Menschenrechte von UP-Mitgliedern verletzt habe. Auch sei eine »Politik der Auslöschung« betrieben worden – durch staatliche Strukturen sowie Paramilitärs, oft mit Duldung oder Beteiligung von Einsatzkräften. Laut dem Centro Nacional de Memoria Histórica wurden zwischen 1985 und 2002 mindestens 4.153 UP-Mitglieder ermordet, entführt oder verschwunden gelassen.
Seit dem 19. Jahrhundert wurde Kolumbien von Liberalen und Konservativen dominiert. Beide wechselten sich an der Macht ab – besonders deutlich wurde das im Frente Nacional (1958–1974), einem Abkommen zur Machtteilung, das anderen politischen Kräften jeden Zugang verweigerte. Die politische Linke wurde so von legaler politischer Partizipation ausgeschlossen und in die Illegalität gedrängt. In den 1980ern stellte die Unión Patriótica die erste legale linke Alternative dar. Obwohl sie politisch breit aufgestellt war – Kommunisten, Gewerkschafter und sogar progressive Christen waren Mitglieder –, wurde sie nicht als legitimer politischer Wettbewerber anerkannt, sondern als politisches Sprachrohr und verlängerter Arm der FARC gesehen. Ihr Erfolg war eine Bedrohung für das etablierte Parteiensystem und die kolumbianische Oligarchie. Die Vernichtung der Partei und ihrer Mitglieder hatte eine traumatisierende Wirkung auf die kolumbianische Linke: Sie zerstörte das Vertrauen in den Staat nachhaltig und bestätigte viele Guerilleros darin, dass legale politische Partizipation zum Scheitern verurteilt sei.
Erst mit dem Friedensabkommen von 2016 versuchten die Ex-FARC erneut, parlamentarisch Fuß zu fassen. Durch noch bis ans Ende der Legislaturperiode garantierte Sitze ist ihre Partei Comunes im Parlament vertreten. Doch die Gewalt hält an: Bis Mai 2025 wurden laut den Vereinten Nationen mindestens 408 Ex-FARC-Mitglieder ermordet. Auch Gewerkschafter und Aktivisten bleiben bedroht. Heute ist die UP nicht nur Objekt der Erinnerung, sondern wieder politisch aktiv: als Teil des regierenden Linksbündnisses »Pacto Histórico«. Am Mittwoch jährte sich ihre Gründung zum 40. Mal.
40 Jahre sind eigentlich kein Alter für eine Partei, und doch können nur wenige Überlebende wie Senatorin Aída Avella ihre Geschichte aus eigenem Erleben erzählen. Die Leerstelle, die der politische Genozid an einer Generation Linker hinterließ, erzählt vom systematischen Versuch, eine Hoffnung auszulöschen – die bisher unerfüllte Vision von einem friedlichen und sozial gerechten Kolumbien. Entscheidend wird sein, ob die im Gesetz vorgesehenen Bildungs-, Erinnerungs- und Schutzmaßnahmen dauerhaft umgesetzt werden – über die Amtszeit der aktuellen Regierung des linken Präsidenten Gustavo Petro hinaus.
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